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Am 30. Dezember 2018<ref name="zeit12122019"/> - ein Sonntag - unterschrieb Andreas Scheuer trotz weit verbreiteter fachlicher wie [[europa]]rechtlicher Vorbehalte einen langfristigen Vertrag zum Aufbau der Mautinfrastruktur für Pkws. Der Vertrag enthält Regelungen zur Entschädigung für den entgangenen Gewinn, für die nach einer Nichteinführung der Pkw-Maut Schätzungen zufolge mehrere hundert Millionen Euro zu Lasten der Staatskasse fällig werden könnten, ohne dass eine Gegenleistung erbracht werden müsse. Am 18. Juni 2019 entschied das oberste Europäische Gericht, dass die – als „Ausländermaut“ erkennbare – Abgabe gegen Europarecht verstoße und daher nicht umgesetzt werden dürfe. Der Bundesrechnungshof bezeichnet das Vorgehen in seinem ausführlichen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages vom 18. November 2019 als einen Verstoß gegen das Haushaltsrecht und einen Verstoß gegen das Vergaberecht.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/politik/maut-debakel-warum-das-vorgehen-von-verkehrsminister-scheuer-als-korruption-gelten-kann/25312724.html Tagesspiegel | Transparency International sieht Korruptionsverdacht bei Maut-Debakel, 09.12.2019]</ref> | Am 30. Dezember 2018<ref name="zeit12122019"/> - ein Sonntag - unterschrieb Andreas Scheuer trotz weit verbreiteter fachlicher wie [[europa]]rechtlicher Vorbehalte einen langfristigen Vertrag zum Aufbau der Mautinfrastruktur für Pkws. Der Vertrag enthält Regelungen zur Entschädigung für den entgangenen Gewinn, für die nach einer Nichteinführung der Pkw-Maut Schätzungen zufolge mehrere hundert Millionen Euro zu Lasten der Staatskasse fällig werden könnten, ohne dass eine Gegenleistung erbracht werden müsse. Am 18. Juni 2019 entschied das oberste Europäische Gericht, dass die – als „Ausländermaut“ erkennbare – Abgabe gegen Europarecht verstoße und daher nicht umgesetzt werden dürfe. Der Bundesrechnungshof bezeichnet das Vorgehen in seinem ausführlichen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages vom 18. November 2019 als einen Verstoß gegen das Haushaltsrecht und einen Verstoß gegen das Vergaberecht.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/politik/maut-debakel-warum-das-vorgehen-von-verkehrsminister-scheuer-als-korruption-gelten-kann/25312724.html Tagesspiegel | Transparency International sieht Korruptionsverdacht bei Maut-Debakel, 09.12.2019]</ref> | ||
Scheuer versprach einem eingesetzten Untersuchungsausschuss mehrfach maximale Transparenz. Scheuer verschwieg jedoch dem Bundestag mehrfach Treffen mit dem Betreiberkonsortium. Das Ministerium hatte die Treffen im November 2018 und Juni 2019 mit dem Betreiberkonsortiums nicht dokumentiert, auch Akten oder Aufzeichnungen liegen darüber nicht vor.<ref>[https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-09/pkw-maut-andreas-scheuer-verkehrsminister-opposition-beschuldigung Pkw-Maut: Opposition bezichtigt Andreas Scheuer der Lüge | ZEIT ONLINE, 27. September 2019]</ref> Wochen später kam heraus, dass Scheuer dem Bundestag <!-- weitere? | Scheuer versprach einem eingesetzten Untersuchungsausschuss mehrfach maximale Transparenz. Scheuer verschwieg jedoch dem Bundestag mehrfach Treffen mit dem Betreiberkonsortium. Das Ministerium hatte die Treffen im November 2018 und Juni 2019 mit dem Betreiberkonsortiums nicht dokumentiert, auch Akten oder Aufzeichnungen liegen darüber nicht vor.<ref>[https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-09/pkw-maut-andreas-scheuer-verkehrsminister-opposition-beschuldigung Pkw-Maut: Opposition bezichtigt Andreas Scheuer der Lüge | ZEIT ONLINE, 27. September 2019]</ref> Wochen später kam heraus, dass Scheuer dem Bundestag <!-- weitere? insgesamt? --> fünf Treffen mit dem Betreiberkonsortium verschwieg.<ref>[https://www.zeit.de/mobilitaet/2019-10/andreas-scheuer-pkw-mautbetreiber-transparenz Andreas Scheuer: #nixgeheim? | ZEIT ONLINE, 9. Oktober 2019]</ref> Im Dezember 2019 kam heraus, dass Andreas Scheuer bereits klassifizierte Unterlagen nachträglich mit einer höheren Geheimhaltungsstufe versah und so als vertrauliche Verschlusssachen klassifizierte.<ref>[https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestag-wirbel-um-aktenfreigabe-im-maut-untersuchungsausschuss-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-191218-99-185583 Bundestag - Wirbel um Aktenfreigabe im Maut-Untersuchungsausschuss - Politik - SZ.de, 18. Dezember 2019]</ref> Auch die Mails des Ministers über seinen Abgeordneten-Account waren dem Untersuchungsausschusses vom Ministerium erst verspätet zur Verfügung gestellt worden und die Kommunikation zur Maut über eine private Mailadresse gar nicht. Im Juli 2020 warf die Opposition Verkehrsminister Scheuer vor, das Parlament an der Nase herumzuführen.<ref>[https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/mautaffaere-opposition-wirft-verkehrsminister-scheuer-irrefuehrung-vor/26023850.html Handelsblatt - Opposition wirft Verkehrsminister Scheuer Irreführung vor, 21.07.2020]</ref> Am 26. März 2022 bejahte ein Schiedsgericht den Anspruch auf Schadens- und Aufwendungsersatz der einst vorgesehenen Betreiber. In einer zweiten Phase des Schiedsverfahrens wird über die Höhe des Anspruchs entschieden. Die Unternehmen fordern 560 Millionen Euro.<ref>[https://www.tagesschau.de/inland/pkw-maut-schadenersatz-101.html Gescheiterte Pkw-Maut: Betreiber haben Anspruch auf Schadenersatz | tagesschau.de, 26.03.2022]</ref> | ||
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Die neue Zuständigkeit der Autobahn GmbH führten zum Aufbau doppelter Straßenmeistereien mit entsprechenden Mehrkosten und Platzbedarf z. B. in den [[Schleswig-Holstein|schleswig-holstein]]ischen Ortschaften Schuby, Grande und Scharbeutz für 36 Millionen Euro geplante Kosten. Die einen Straßenmeistereien sind dann für das Bundesland zuständig, die anderen für den Bund.<ref>[https://www.zdf.de/politik/laenderspiegel/hammer-der-woche-betriebshoefe-doppelt-gebaut-100.html ZDF Länderspiegel vom 26. März 2022 | Betriebshöfe doppelt gebaut - ZDFmediathek]</ref> | Die neue Zuständigkeit der Autobahn GmbH führten zum Aufbau doppelter Straßenmeistereien mit entsprechenden Mehrkosten und Platzbedarf z. B. in den [[Schleswig-Holstein|schleswig-holstein]]ischen Ortschaften Schuby, Grande und Scharbeutz für 36 Millionen Euro geplante Kosten. Die einen Straßenmeistereien sind dann für das Bundesland zuständig, die anderen für den Bund.<ref>[https://www.zdf.de/politik/laenderspiegel/hammer-der-woche-betriebshoefe-doppelt-gebaut-100.html ZDF Länderspiegel vom 26. März 2022 | Betriebshöfe doppelt gebaut - ZDFmediathek]</ref> | ||
=== Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft === | |||
Im März 2020 kündigte Bundesverkehrsminister Scheuer an, in [[München]] zu Kosten von geplanten 500 Millionen Euro das neu zu gründende Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft (DZM) ansiedeln zu wollen. Mit dem DZM „soll ein international herausragendes Zentrum der Mobilitätforschung entstehen. Ziel ist es, Antworten auf die Frage zu finden, wie sich Menschen und Waren in Zukunft vor dem Hintergrund der globalen Trends der Dekarbonisierung, Digitalisierung und des demografischen Wandels fortbewegen.“<ref>[https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/eroeffnung-deutsches-zentrum-mobilitaet-der-zukunft.html BMDV - Eröffnung des Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft, 23.08.2021]</ref> Am 23. August 2021 eröffneten dann Andreas Scheuer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Zentrale des DZM wie geplant in München im Munich Urban Colab (MUB).<ref>[https://www.heise.de/news/Zentrum-Mobilitaet-der-Zukunft-soll-Mobilitaet-von-Morgen-neu-denken-6172136.html Zentrum "Mobilität der Zukunft" soll Mobilität von Morgen neu denken | heise online, 23.08.2021]</ref><ref>[https://www.stmb.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2022/73/index.php Sorge um Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft in München - Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, 27.04.2022]</ref> Nach dem Regierungswechsel durch die Bundestagswahl 2021 stoppte der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing das Projekt, wie Mitte 2022 bekannt wurde.<ref>[https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/deutsches-zentrum-mobilitaet-der-zukunft-verkehrsminister-wissing-stoppt-projekt-seines-csu-vorgaengers-gelder-sollten-nach-bayern-fliessen/28396544.html Handelsblatt | Verkehrsminister: Volker Wissing stoppt Projekt seines CSU-Vorgängers, 05.06.2022]</ref> Das Gründungsbüro des DZM in München wurde durch eine Kontaktstelle in den Räumlichkeiten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ersetzt.<ref>[https://www.heise.de/news/Deutsches-Zentrum-Mobilitaet-der-Zukunft-hat-wohl-keine-Zukunft-7133739.html "Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft" hat wohl keine Zukunft | heise online, 07.06.2022]</ref> | |||
=== Digitaler Führerschein === | === Digitaler Führerschein === |
Version vom 12. Juli 2022, 05:42 Uhr
Andreas Franz „Andi“ Scheuer (* 26. September 1974 in Passau) ist ein deutscher Politiker der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU). Er ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Scheuer war vom 14. März 2018 bis zum 8. Dezember 2021 Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur im Kabinett von Angela Merkel.
Leben
Bildung
Andreas Scheuer machte 1994 sein Abitur am Gymnasium Leopoldinum in Passau. 1998 legte er das erste Staatsexamen für das Lehramt an einer Realschule ab. Anschließend folgte ein Magisterstudium der Politikwissenschaft, Wirtschaft und Soziologie an der Universität Passau mit Abschluss 2001. 2004 promovierte Scheuer an der Karls-Universität in Prag.[1]
Karriere
1994 trat Andreas Scheuer in die CSU und Junge Union ein. Von 1997 bis 2003 war er Kreisvorsitzender der Jungen Union Passau-Stadt. Parallel zum Studium war er von 1998 bis 1999 Mitarbeiter von Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Seit 2001 ist Scheuer Mitglied im CSU-Bezirksvorstand, seit 2002 ist er Mitglied des Bundestages und im Passauer Stadtrat. Von Oktober 2009 bis Dezember 2013 war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik. Seit Dezember 2013 ist er Generalsekretär der CSU und und seit Februar 2016 CSU-Bezirksvorsitzender Niederbayern. Im März 2018 wurde er Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur.[1] Am 8. Dezember 2021 wurde nach der Bundestagswahl 2021 die Regierung Merkel von der Ampel-Koalition unter Olaf Scholz (SPD) abgelöst. Auf Andreas Scheuer folgte Volker Wissing (FDP) im Amt des Bundesministers für Digitales und Verkehr.
Privat
Seine erste Ehe wurde 2011 geschieden. 2013 heiratete er die Fernsehjournalistin Sabine Reisp. Aus der Ehe ging im selben Jahr eine Tochter hervor.[2] 2018 trennte sich das Paar.[3] Scheuer ist mit Julia Reuss (* in Bad Reichenhall, Bayern[4]) liiert. Julia Reuss war bis 2012 persönliche Referentin des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer, wechselte dann zur Deutschen Bahn, war bis Ende Februar 2021 Büroleiterin von Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) und wechselte dann zum US-Konzern Facebook, wo sie als Public-Policy-Direktorin für Zentraleuropa arbeitet.[5][6]
Andreas Scheuer beschäftigt sich hobbymäßig mit alten Autos. Er fährt privat das letzte Auto des früheren CSU-Chefs Franz Josef Strauß, ein BMW 325ix aus dem Jahr 1987.[7]
Kritik
Arbeitnehmerfreizügigkeit
Andreas Scheuer äußerte im Zusammenhang mit der Einführung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Januar 2014:
„Armutszuwanderung ist ein Problem. Der Anstieg bei Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien betrug seit 2007 insgesamt 141 Prozent. (…) Wir müssen aber schon im Voraus die falschen Anreize beseitigen, dass Menschen von den Leistungen unseres Sozialsystems angezogen werden und allein deswegen hierher kommen.“
– Andreas Scheuer [8]
Der Faktencheck der ZDF-Nachrichtensendung heute kam jedoch zu dem Ergebnis, dass Rumänen und Bulgaren in keiner der aufgezeigten Deutschland-Statistiken als außergewöhnlich problematisch auffallen. Im Gegenteil stützen sie insgesamt das Sozialsystem stärker, als sie es in Anspruch nehmen.[8]
Flüchtlinge
Scheuer äußerte sich 2015 im Kontext der Flüchtlingskrise, dass Flüchtlinge, die nach Deutschland kämen, zwingend die deutsche Leitkultur anerkennen müssten, die er als christlich-jüdisch-abendländische Kultur beschrieb.[9] Im Regensburger Presseclub sagte er am 15. September 2016:
„Entschuldigen S' die Sprache, das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist - weil den wirst Du nie wieder abschieben. Aber für den ist das Asylrecht nicht gemacht, sondern der ist Wirtschaftsflüchtling.“ [10]
Das führte zu Widerspruch, sogar bei verdienten Parteifreunden.[10] Die stellvertretende CSU-Chefin und Präsidentin des Bayerischen Landtages, Barbara Stamm, mahnte Scheuer zu Mäßigung. Die Opposition forderte seinen Rücktritt.[11] Kardinal Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, und der Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Heinrich Bedford-Strohm zeigen sich entsetzt über diese Aussage.[12] Allerdings wurde Scheuer ungenau von der Mittelbayerische Zeitung und dem Bayerischen Rundfunk zitiert, was zahlreiche Nachrichtenagenturen und Medien aufgriffen.[10] Der CSU-Parteichef Horst Seehofer wertete Scheuers Zitat dagegen als Missverständnis.[11]
Verkehrspolitik
- Tempolimit
Scheuer ist ein Gegner von Tempolimits auf deutschen Autobahnen. Im Januar 2019 lehnte er als Bundesverkehrsminister ein Tempolimit und höhere Dieselsteuer aus Umweltschutzgründen strikt ab. Sie seien „gegen jeden Menschenverstand“ gerichtet, sagte er.[13] Scheuer behauptete, deutsche Autobahnen seien „die sichersten Straßen weltweit“. Die Aussage, deutsche Autobahnen seien die sichersten Straßen der Welt, lässt sich statistisch nicht belegen, Staaten wie Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Schweiz, Dänemark und Finnland haben deutlich weniger Verkehrstote.[14]
- Straßenausbau
In der Zeit von 2014 bis 2018 finanzierte das CSU-regierte Bundesverkehrsministerium den Ausbau der Straßen in Bayern mit weitem Abstand vor allen anderen Bundesländern. Von den mehr als 1,6 Milliarden Euro, die das Ministerium unter Andreas Scheuer in dieser Zeit verteilte, flossen 551 Millionen Euro nach Bayern. In das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden 317 Millionen Euro und nach Baden-Württemberg 171 Millionen Euro im selben Zeitraum für den gleichen Zweck überwiesen. Das Geld stammt aus Mitteln, die für Zuschüsse für Eisenbahnunternehmen, den Radwegebau oder die Verkehrsforschung nicht abgerufen wurden.[15]
Pkw-Maut
Die Einführung einer Pkw-Maut war für die CSU mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt schon 2013 ein beliebtes Wahlkampfthema. Es fand sich mit einem Konsortium aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim jedoch nur ein einziger Interessent, der ein finales Angebot dafür abgab, für den Staat die Maut zu erheben. Das Angebot lag rund eine Milliarde Euro über dem Kostenrahmen von zwei Milliarden Euro, den der Bundestag vorgegeben hatte. Das Ministerium verhandelte nach und das Ergebnis sah vor, dass der Pkw-Maut-Betreiber Zahlstellen des staatlichen Lkw-Maut-Betreibers Toll Collect nutzen darf, um seine Kosten zu senken.[16]
Am 30. Dezember 2018[16] - ein Sonntag - unterschrieb Andreas Scheuer trotz weit verbreiteter fachlicher wie europarechtlicher Vorbehalte einen langfristigen Vertrag zum Aufbau der Mautinfrastruktur für Pkws. Der Vertrag enthält Regelungen zur Entschädigung für den entgangenen Gewinn, für die nach einer Nichteinführung der Pkw-Maut Schätzungen zufolge mehrere hundert Millionen Euro zu Lasten der Staatskasse fällig werden könnten, ohne dass eine Gegenleistung erbracht werden müsse. Am 18. Juni 2019 entschied das oberste Europäische Gericht, dass die – als „Ausländermaut“ erkennbare – Abgabe gegen Europarecht verstoße und daher nicht umgesetzt werden dürfe. Der Bundesrechnungshof bezeichnet das Vorgehen in seinem ausführlichen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages vom 18. November 2019 als einen Verstoß gegen das Haushaltsrecht und einen Verstoß gegen das Vergaberecht.[17]
Scheuer versprach einem eingesetzten Untersuchungsausschuss mehrfach maximale Transparenz. Scheuer verschwieg jedoch dem Bundestag mehrfach Treffen mit dem Betreiberkonsortium. Das Ministerium hatte die Treffen im November 2018 und Juni 2019 mit dem Betreiberkonsortiums nicht dokumentiert, auch Akten oder Aufzeichnungen liegen darüber nicht vor.[18] Wochen später kam heraus, dass Scheuer dem Bundestag fünf Treffen mit dem Betreiberkonsortium verschwieg.[19] Im Dezember 2019 kam heraus, dass Andreas Scheuer bereits klassifizierte Unterlagen nachträglich mit einer höheren Geheimhaltungsstufe versah und so als vertrauliche Verschlusssachen klassifizierte.[20] Auch die Mails des Ministers über seinen Abgeordneten-Account waren dem Untersuchungsausschusses vom Ministerium erst verspätet zur Verfügung gestellt worden und die Kommunikation zur Maut über eine private Mailadresse gar nicht. Im Juli 2020 warf die Opposition Verkehrsminister Scheuer vor, das Parlament an der Nase herumzuführen.[21] Am 26. März 2022 bejahte ein Schiedsgericht den Anspruch auf Schadens- und Aufwendungsersatz der einst vorgesehenen Betreiber. In einer zweiten Phase des Schiedsverfahrens wird über die Höhe des Anspruchs entschieden. Die Unternehmen fordern 560 Millionen Euro.[22]
Autobahn GmbH
2008 übernahmen der Baukonzern Bilfinger, der britische Infrastrukturfonds John Laing und das niedersächsische Bauunternehmen Johann Bunte eine Erweiterung der Autobahn zwischen Bremen und Hamburg. Dafür wurden sie der Betreiber diesen Autobahnabschnittes bis 2038 und bekamen einen Anteil an den LKW-Mautgebühren. Bereits ab 2008 verlangten die Investoren Ausgleichszahlungen vom Staat. Das wurde bis 2017 von allen Bundesregierungen, Finanz-, Verkehrs- und Wirtschaftsministern verheimlicht, bis eine neue Grundgesetzänderung 2017 durchgeführt wurde. 2017 verklagten die Investoren den Staat auf 787 Millionen Ausgleichszahlung, weil wegen der Finanzkrise vermeintlich 20 Prozent weniger LKWs als "erwartet" durchgefahren sind.[23]
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) trieb 2016 den Ausbau der deutschen Autobahnen mit privaten Betreibern massiv voran. Er befürwortete Teilprivatisierungen, obwohl die Projekte bislang stets viel zu teuer waren. 2017 stand die für den Ausbau der Autobahn A1 zuständige Betreibergesellschaft A1 Mobil kurz vor der Pleite. Diee Einnahmen verfehlten die Ziele von Bund und Betreibern. Das Projekt mit A1 Mobil war damals das größte Projekt der Öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP).[24] Das Landgericht Hannover wies die Klage von A1 mobil 2018 als unbegründet ab, 2019 wies das Oberlandesgericht Celle die Klage ab.[25]
Trotz der schlechten Erfahrungen einigten sich 2017 der Bund und die Länder im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen darauf, dass eine neu gegründete Autobahn GmbH des Bundes ab 1. Januar 2021 die Finanzierung und Verwaltung für das deutsche Autobahnnetz übernehmen soll. Die Autobahn GmbH untersteht dem eigens gegründeten Fernstraßenbundesamt in Leipzig. Bereits 2020 brachte die Autobahn GmbH in Sanitäranlagen an mehreren Rastplätzen Technik an, welche die Nutzungsfrequenz der Toilettentüren erhebt, damit die Reinigungsintervalle entsprechend angepasst werden können. Zum 1. Januar 2021 nahm die Autobahn GmbH dann unter Andreas Scheuer als Verkehrsminister offiziell ihre Arbeit auf.[26] In der neuen Autobahn GmbH sollten dieselben Mitarbeiter arbeiten wie bisher in den Ländern, insgesamt 15.000. Bis Ende 2020 wechselten gerade mal erst 10.000 Beschäftigte aus den Ländern. Gleich zur Gründung zieht die Autobahn GmbH in Büros am Leipziger Platz in Berlin, wo die Miete 123 € im Monat pro Quadratmeter kostet. Kurz darauf zieht die Zentrale zu Berlins feinster Flaniermeile, der Friedrichstraße, um. Anfang 2022 zog die Autobahn GmbH in den Weidt Park Corner in Belin um, wodurch die bislang vier verschiedenen Liegenschaften der Zentrale an einem gemeinsamen Standort vereint worden sind.[27] Das Weidt Park Corner gehört zu Berlins modernsten Quartier, der „Europa City“. Die Jahresmiete beträgt 6,4 Millionen Euro. Laut Reiner Holznagel, dem Präsidenten des Bundes der Steuerzahler werden die teuersten Immobilien für die Autobahn GmbH als Mietobjekt ausgewählt. Trotz fünfmal so hoher Beraterkosten wie geplant gab es zum Start der Autobahn GmbH kein einheitliches IT-System. Laut Verkehrsministerium dauere das noch bis Ende 2023.[28] An der Autobahn GmbH hat es bereits immer wieder Kritik gegeben, etwa weil die Kosten gestiegen sind oder es Verzögerungen bei IT-Systemen gab. Eigentlich sollte außerdem die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) in die Autobahn GmbH integriert werden, was aber wegen rechtlicher Bedenken gestoppt wurde.[29] Der Bundesrechnungshof rügte Scheuers Pläne als „unzulässige Mischverwaltung“. Denn Straßenbau ist laut Verfassung Ländersache. Das Projekt Autobahn GmbH wurde viel teurer als erwartet. Allein die Verwaltungskosten der Autobahngesellschaft sind mit knapp 1,4 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt. Schon im ersten Jahresetat 2021 fehlten 400 Millionen Euro.[28]
Die von der Berliner Protype GmbH für 1,2 Millionen € entwickelte und am 20. Juli 2021 freigegebene "Autobahn App" erntet reges Missfallen. Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, sprach von einer "App ohne Mehrwert".[30]
Am 20. Dezember 2021 startete eine Ausschreibung von 200 Schnellladestandorten für Elektrofahrzeuge im Rahmen des Deutschlandnetzes an unbewirtschafteten Rastanlagen entlang der Bundesautobahnen.[31] Diese Ausschreibung wurde noch von der Regierung unter Angela Merkel geplant. Die unbewirtschafteten Rastanlagen sind für lange Ladezyklen unattraktiv, da dort Essen und Getränke nicht angeboten werden dürfen. Der Bund sicherte nämlich den Betreibern von Raststätten vertraglich zu, dass nur sie Essen und Getränke auf Rastplätzen anbieten dürfen. Neben Zapf- und Ladesäulen auch Gastronomie anzubieten ist ein Exklusiv-Recht der Bonner Tank & Rast GmbH. Die Tank & Rast GmbH betreibt rund 90% aller Raststätten. Das niederländische Unternehmen Fastned bewarb sich auch an der Ausschreibung, stellte aber fest, dass die Wünsche des Kunden nicht zum Angebot auf den Rastplätzen des Bundes passen.[32][33]
Die neue Zuständigkeit der Autobahn GmbH führten zum Aufbau doppelter Straßenmeistereien mit entsprechenden Mehrkosten und Platzbedarf z. B. in den schleswig-holsteinischen Ortschaften Schuby, Grande und Scharbeutz für 36 Millionen Euro geplante Kosten. Die einen Straßenmeistereien sind dann für das Bundesland zuständig, die anderen für den Bund.[34]
Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft
Im März 2020 kündigte Bundesverkehrsminister Scheuer an, in München zu Kosten von geplanten 500 Millionen Euro das neu zu gründende Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft (DZM) ansiedeln zu wollen. Mit dem DZM „soll ein international herausragendes Zentrum der Mobilitätforschung entstehen. Ziel ist es, Antworten auf die Frage zu finden, wie sich Menschen und Waren in Zukunft vor dem Hintergrund der globalen Trends der Dekarbonisierung, Digitalisierung und des demografischen Wandels fortbewegen.“[35] Am 23. August 2021 eröffneten dann Andreas Scheuer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Zentrale des DZM wie geplant in München im Munich Urban Colab (MUB).[36][37] Nach dem Regierungswechsel durch die Bundestagswahl 2021 stoppte der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing das Projekt, wie Mitte 2022 bekannt wurde.[38] Das Gründungsbüro des DZM in München wurde durch eine Kontaktstelle in den Räumlichkeiten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ersetzt.[39]
Digitaler Führerschein
Ende Oktober 2020 kündigte Scheuer die Einführung eines digitalen Führerscheins an.[40] Im September 2021 gab die Bundesregierung dann die App "ID Wallet" für den digitalen Führerschein frei. Als offizieller Nachweis der Fahrerlaubnis kann der digitale Führerschein aus rechtlichen Gründen jedoch bis auf Weiteres nicht genutzt werden. Eine Woche nach dem Start wurde die App nach Kritik von Sicherheitsexperten und Nutzern vorerst gestoppt.[41] Die Sicherheitsforscherin Lilith Wittmann stellte bis dahin auch noch fest, dass die App nicht ausreichend gegen das Abgreifen von Personendaten durch einen Angreifer geschützt ist.[42] "ID Wallet" ist der Nachfolger von "Esatus Wallet" und wird von Digital Enabling entwickelt. Digital Enabling wird von IBM Deutschland und der Langener IT-Sicherheitsfirma Esatu gebildet. Bereits am 11. Mai 2021 warnte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor einer kritischen Sicherheitslücke, das Konzept der App fiel beim BSI größtenteils durch. Von einem weiteren Einsatz des Konzepts über den Piloten hinaus riet das BSI ausdrücklich ab. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) veröffentlichte diese Informationen erst Ende Oktober 2021 auf eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz.[43]
Weblinks
- https://andreas-scheuer.de/
- BMVI - Andreas Scheuer
- Deutscher Bundestag - Andreas Scheuer
- Andreas Scheuer | CDU/CSU-Fraktion
- Andreas Scheuer - Profil bei abgeordnetenwatch.de
- Andreas Scheuer bei Wikimedia Commons
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Deutscher Bundestag - Andreas Scheuer
- ↑ Frau von Andreas Scheuer: CSU-Minister hat mit Sabine eine Tochter | Abendzeitung München, 23. März 2018
- ↑ Scheuers zweite Ehe vor dem Aus? - Nachrichten - Bürgerblick Passau, 07. Mai 18
- ↑ CSU-Minister Andreas Scheuer: Seine neue Liebe ist ebenfalls noch verheiratet | BUNTE.de, 23. März 2019
- ↑ Vom Ministerium zu Facebook: Endlich Lobbyismus für alle! - taz.de, 13.2.2021
- ↑ PNP.de | Andreas Scheuers Lebensgefährtin arbeitet künftig für Facebook, 10.02.2021
- ↑ Andreas Scheuer fährt den BMW von Franz Josef Strauß - WELT, 03.04.2018
- ↑ 8,0 8,1 Scheuer (CSU): Zuwanderung von Bulgaren und Rumänen ins Sozialsystem ist ein Problem – Stimmt so nicht » #ZDFcheck @ Wayback Machine
- ↑ „Deutsche Leitkultur statt Multikulti“ - CSU, 06.10.2015
- ↑ 10,0 10,1 10,2 Andreas Scheuer: CSU-Generalsekretär unrichtig zitiert - DER SPIEGEL, 20.09.2016
- ↑ 11,0 11,1 "Ministrierender Senegalese": CSU-General Scheuer wehrt sich gegen Kritik | Oberpfalz | Nachrichten | BR.de, 20.09.2016 @ Wayback Machine
- ↑ Äußerungen zu Flüchtlingen: Scheuer zieht Kritik von Kardinal Marx auf sich - Politik - Tagesspiegel, 19.09.2016
- ↑ „Gegen jeden Menschenverstand“: Scheuer lehnt Tempolimit und höhere Dieselsteuer strikt ab - WELT, 19.01.2019
- ↑ Scheuer über deutsche Autobahnen: Die sichersten Straßen der Welt? | tagesschau.de, 23.03.2019
- ↑ Bayern: Andeas Scheuer übervorteilt Fernstraßen in der Heimat - DER SPIEGEL, 20.12.2019
- ↑ 16,0 16,1 Pkw-Maut: Verkehrsminister auf Abruf | ZEIT ONLINE, 12. Dezember 2019
- ↑ Tagesspiegel | Transparency International sieht Korruptionsverdacht bei Maut-Debakel, 09.12.2019
- ↑ Pkw-Maut: Opposition bezichtigt Andreas Scheuer der Lüge | ZEIT ONLINE, 27. September 2019
- ↑ Andreas Scheuer: #nixgeheim? | ZEIT ONLINE, 9. Oktober 2019
- ↑ Bundestag - Wirbel um Aktenfreigabe im Maut-Untersuchungsausschuss - Politik - SZ.de, 18. Dezember 2019
- ↑ Handelsblatt - Opposition wirft Verkehrsminister Scheuer Irreführung vor, 21.07.2020
- ↑ Gescheiterte Pkw-Maut: Betreiber haben Anspruch auf Schadenersatz | tagesschau.de, 26.03.2022
- ↑ Autobahn: Öffentlich-Private-Partnerschaften auf ganzer Linie gescheitert – ver.di
- ↑ Autobahn-Privatisierung erleidet herben Rückschlag - Wirtschaft - SZ.de, 23. August 2017
- ↑ A1 mobil: OLG Celle weist Millionenklage ab | NDR.de - Nachrichten - Niedersachsen - Studio Hannover, 26.11.2019
- ↑ Verwaltung von Autobahnen wird neu geregelt | heise Autos, 04.12.2020
- ↑ Die neue Zentrale der Autobahn GmbH des Bundes | kununu, 28.01.2022
- ↑ 28,0 28,1 ZDF | Das Debakel um die Autobahn GmbH – Wie Scheuer scheitert - Manuskript, Sendung vom 8. Dezember 2020
- ↑ Mehrwert dank "exklusiver Daten": Autobahn GmbH stellt eigene App vor | heise Autos, 20.07.2021
- ↑ Autobahn-App: "Teuer und nutzlos" | heise online, 12.08.2021
- ↑ 200 Schnellladestandorte entlang der Bundesautobahnen: Zweiter Teil der Ausschreibung zum Deutschlandnetz startet | Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur, 20.12.2021
- ↑ E-Auto-Stationen an Autobahnen: Nicht mal einen Kaffee beim Laden? | tagesschau.de, 03.02.2022
- ↑ tagesthemen - Sendung vom 02.02.2022, 22:15 Uhr | tagesschau.de
- ↑ ZDF Länderspiegel vom 26. März 2022 | Betriebshöfe doppelt gebaut - ZDFmediathek
- ↑ BMDV - Eröffnung des Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft, 23.08.2021
- ↑ Zentrum "Mobilität der Zukunft" soll Mobilität von Morgen neu denken | heise online, 23.08.2021
- ↑ Sorge um Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft in München - Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, 27.04.2022
- ↑ Handelsblatt | Verkehrsminister: Volker Wissing stoppt Projekt seines CSU-Vorgängers, 05.06.2022
- ↑ "Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft" hat wohl keine Zukunft | heise online, 07.06.2022
- ↑ Verkehrsministerium: Digitaler Führerschein ist online | heise Autos, 23.09.2021
- ↑ Nach Kritik von Sicherheitsexperten: Digitaler Führerschein vorerst gestoppt | heise online, 29.09.21
- ↑ Digitaler Führerschein hatte keinen Schutz vor Identitätsdiebstahl | heise online, 29.09.2021
- ↑ ID Wallet: Bundesregierung wusste über IT-Sicherheitslücke längst Bescheid | heise online, 30.10.2021
NAME | Scheuer, Andreas |
ALTERNATIVNAMEN | Scheuer, Andreas Franz (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (CSU), MdB |
GEBURTSDATUM | 26. September 1974 |
GEBURTSORT | Passau, Bayern, Deutschland |