Sahra Wagenknecht

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Sahra Wagenknecht, 2023
Ehemann Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht und Susanne Hennig-Wellsow, 2021

Sahra Wagenknecht (* 16. Juli 1969 in Jena, Bezirk Gera, DDR als Sarah Wagenknecht, amtlich Sahra Wagenknecht-Niemeyer) ist eine deutsche Politikerin (BSW, zuvor Die Linke, PDS, SED) und Publizistin.

Leben

Kindheit und Jugend

Wagenknecht wurde als Sarah Wagenknecht in Jena im Bezirk Gera in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik als Einzelkind[1] geboren. Die Hebamme akzeptierte die von den Eltern gewünschten Schreibweise Sahra nicht und nannte sie Sarah. Sahras Vater ist ein Iraner.[1] Die Eltern lernten sich in Berlin kennen, wo Sahras Mutter mit nicht mal zwanzig Jahren hingetrampt ist. Er studierte in Westbelin und konnte als Ausländer immer für 24 Stunden in die DDR einreisen. 1972 lief seine Aufenthaltsgenehmigung ab. Sie hatten noch längere Zeit brieflich Kontakt, dann brach dieser ab. Bis zu ihrem sechsten Lebensjahr lebte sie bei ihren Großeltern in Göschwitz, während die Mutter in Berlin studierte.

Mit vier Jahren brachte sich Sahra selber das Lesen bei.[2] Zu Schulbeginn zog Sarah mit sieben Jahren nach Ost-Berlin zu ihrer Mutter, die als Galeristin im staatlichen Kunsthandel tätig war.[1] Gemeinsam wohnten sie in der Oderberger Straße 40 in Berlin Prenzlauer Berg. Sahra war sehr wißbegierig. Sie lernte den Mathematikstoff der älteren Schulklassen, mit zwölf lernte sie Persisch und Goethes Faust von Johann Wolfgang von Goethe lernte sie auswendig. Sie machte in den Ferien sogar Führungen im Goethehaus in Weimar. Als sie in den Bundestag gewählt wurde, liess sie ihren Vornamen offiziell auf Sahra ändern.[3]

Studium und Promotion

Nach dem Abitur an der Erweiterten Oberschule (EOS) „Albert Einstein“ in Berlin-Marzahn in Berlin-Marzahn 1988 wurde Wagenknecht vom DDR-Regime zunächst ein Studienplatz verwehrt. Laut Begründung sei sie nicht genügend aufgeschlossen fürs Kollektiv.[1] Ihr wurde stattdesen eine Arbeitsstelle als Sekretärin an der Humboldt-Universität zu Berlin zugewiesen, die sie nach drei Monaten aber selber kündigte.[4] Auch das war in der DDR nicht erwünscht. Weil sie deshalb keine staatliche Unterstützung mehr erhielt, gab sie Nachhilfestunden in Russisch, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.[2]

Nach der politischen Wende in der DDR und den Fall der Mauer studierte sie dann ab dem Sommersemester 1990 Philosophie und Neuere Deutschen Literatur an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Studium in Berlin brach sie vor der Abschlussarbeit ab[5] und wechselte an die niederländische Reichsuniversität Groningen (RUG). Im September 1996 machte sie in Groningen ihren Abschluss mit einer Arbeit über Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) und Karl Marx (1818–1883). Im Oktober 2012 erfolgte die Promotion zum Dr. rer. pol. in Wirtschaftswissenschaften mit einer Arbeit zum Thema „The Limits of Choice. Saving Decisions and Basic Needs in Developed Countries“.[6]

Parteikarriere

SED, PDS, Die Linke, ab 1989

Im März 1989 trat sie in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ein.[4] Von 1991 bis 1995 und von 2000 bis 2007 war Wagenknecht Mitglied des Parteivorstandes der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) beziehungsweise der Linkspartei.PDS. 1998 war sie Direktkandidatin der PDS zur Bundestagswahl in Dortmund. Von Juni 2007 bis Mai 2014 war sie Mitglied im Vorstand der Partei Die Linke, die aus der PDS hervorging. Von Oktober 2007 bis Juli 2010 war sie parallel auch Mitglied der Programmkommission der Partei Die Linke und von Mai 2010 bis Mai 2014 Stellvertretende Vorsitzende der Partei. Von 2004 bis 2009 war sie auch Mitglied des Europaparlaments. Im Europaparlament war sie Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie. 2009 wurde sie Mitglied des Deutschen Bundestages. Von November 2011 bis Oktober 2015 war Sahra Wagenknecht Erste stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag und im Anschluss von Oktober 2015 bis November 2019 Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag.[6] Im Juni 2021 beantragten mehrere parteiinterne Kritiker ein Parteiausschlussverfahren gegen Sahra Wagenknecht. Mit ihrem Buch Die Selbstgerechten: Mein Gegenprogramm - für Gemeinsinn und Zusammenhalt war sie auch in den eigenen Reihen in die Kritik geraten. Die Landesschiedskommission Nordrhein-Westfalen lehnte die beiden Anträge einstimmig ab.[7]

BSW, ab 2024

Am 8. Januar 2024 gründete Wagenknecht in Berlin das Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW). Die meisten Gründungsmitglieder gehörten zuvor der Linkspartei an. Vorab wurde am 26. September 2023 der Verein BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit e. V. mit Sitz in Karlsruhe in das Vereinsregister eingetragen.[8] Die organisatorische Vorläuferorganisation der Partei BSW wurde am 23. Oktober 2023 in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Gleichzeitig traten Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete aus der Linkspartei aus.[9] Sie blieben aber Mitglieder der Fraktion. Daraufhin beschloss die Linksfraktion am 14. November 2023 ihre Auflösung zum 6. Dezember 2023.[10] Ab dem 2. Februar 2024 war Die Linke nur noch als Gruppe im Deutschen Bundestag vertreten. Auch das BSW ist seitdem als Gruppe dort vertreten.[11]

Weitere Aktivitäten

Der deutsche Forscher Christian "Chris" Lukhaup benannten eine in Indonesien von ihm entdeckte rot gefärbte Süßwasserkrebsart nach Sahra Wagenknecht. Damit dankte er Wagenknecht. Sie habe ihn inspiriert, entschlossen für eine bessere und fairere Zukunft zu kämpfen.[12] Er nannte die Krebsart Cherax wagenknechtae.

Während des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine starteten Sahra Wagenknecht und die Journalistin, Publizistin und Feministin Alice Schwarzer die Online-Petition Manifest für Frieden. Die Petition wurde am 10. Februar 2023 auf change.org veröffentlicht und wird von Schwarzers Zeitschrift Emma unterstützt.[13]

Privat

Am 5. Mai 1997 heiratete Sahra Wagenknecht den Journalisten und Filmproduzenten Ralph Thomas Niemeyer (* 9. Oktober 1969 in West-Berlin) in Weimar. Während Wagenknecht zwischen ihren Wohnorten Berlin und ihrem Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen pendelte, lebte Niemeyer die meiste Zeit in Irland. Im November 2011 erklärte der ehemalige Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine (* 16. September 1943 in Saarlautern, heute Saarlouis), er und Sahra Wagenknecht seien "eng befreundet". Zu diesem Zeitpunkt war er noch mit der Ökonomin Christa Müller verheiratet. Ab Juni 2012 lebten Lafontaine und Wagenknecht zusammen im Saarland. Im Februar 2013 trennte sich Lafontaine und Müller. Die Ehe zwischen Wagenknecht und Niemeyer wurde nach mehr als 15 Jahren Mitte März 2013 geschieden.[14][15] Am 22. Dezember 2014 heiratete Wagenknecht standesamtlich Oskar Lafontaine in der saarländischen Stadt Merzig. Für Lafontaine ist es die vierte Ehe, für Wagenknecht die zweite. Ihre Nachnamen behielten Wagenknecht und Lafontaine.[16]

Ihr Ex-Ehemann Ralph Thomas Niemeyer hat Verbindung zur Reichsbürger-Szene. Er benennt sich selbst als Exilkanzler und ist für seine guten Verbindungen nach Russland bekannt. 2023 wurde sein Haus durchsucht.[17]

Werke (Auswahl)

  • 1995: Antisozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzung: Zwei Taktiken im Kampf gegen die sozialistische Welt, 184 Seiten, Pahl-Rugenstein, 6. Auflage, ISBN 978-3891442050
  • 1996: Vorwärts und vergessen? Ein Streit um Marx, Lenin, Ulbricht und die verzweifelte Aktualität des Kommunismus, mit Jürgen Elsässer, 144 Seiten, KVV "konkret", ISBN 978-3930786060
  • 1997: Vom Kopf auf die Füße?: Zur Hegelkritik des jungen Marx oder Das Problem einer dialektisch-materialistischen Wissenschaftsmethode, 200 Seiten, Pahl-Rugenstein, ISBN 978-3891442319
  • 2001: Die Mythen der Modernisierer, 112 Seiten, Dingsda, 2. Auflage, ISBN 978-3928498845
  • 2007: Armut und Reichtum heute, Herausgeberin Sahra Wagenknecht, 288 Seiten, Edition Ost , ISBN 978-3360010841
  • 2008: Wahnsinn mit Methode: Finanzcrash und Weltwirtschaft, 256 Seiten, Das Neue Berlin, ISBN 978-3360019561
  • 2009: Kapitalismus im Koma - Eine sozialistische Diagnose, Das Neue Berlin, 6. Auflage, ISBN 978-3360010506
  • 2011: Freiheit statt Kapitalismus. Wie wir zu mehr Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit kommen, 365 Seiten, Eichborn Verlag, ISBN 978-3821865461
  • 2012: Freiheit statt Kapitalismus: Über vergessene Ideale, die Eurokrise und unsere Zukunft, 406 Seiten, Campus Verlag, ISBN 978-3593397313
  • 2013: Kapitalismus, was tun? Schriften zur Krise, 400 Seiten, Das Neue Berlin, ISBN 978-3360021595
  • 2016: Reichtum ohne Gier: Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten, 292 Seiten, Campus Verlag, ISBN 978-3593505169
  • 2017: Couragiert gegen den Strom: Über Goethe, die Macht und die Zukunft, 224 Seiten, Westend, ISBN 978-3864891878
  • 2021: Die Selbstgerechten: Mein Gegenprogramm - für Gemeinsinn und Zusammenhalt, 345 Seiten, Campus Verlag, ISBN 978-3593513904

Literatur

  • 2019: Sahra Wagenknecht: Von links bis heute, David Goeßmann, 128 Seiten, Das Neue Berlin, ISBN 978-3360013491
  • 2019: Sahra Wagenknecht: Die Biografie, Christian Schneider, 272 Seiten, Campus Verlag, ISBN 978-3593509860
  • 2022: Wagenknecht – Nationale Sitten und Schicksalsgemeinschaft: gestalten der faschisierung, Herausgeber Klaus Weber und Wolfgang Veiglhuber, 288 Seiten, Argument Verlag mit Ariadne, ISBN 978-3867545310
  • 2023: Sahra Wagenknecht. Die rote Diva: Die unautorisierte Biographie, Hans M. Feher, 256 Seiten, Kai Homilius Verlag, ISBN 978-3897068155
  • 2024: Die Kommunistin: Sahra Wagenknecht: Eine Frau zwischen Interessen und Mythen, Klaus-Rüdiger Mai, 288 Seiten, Europa Verlag, ISBN 978-3958906181

Weblinks

Quellen