Olaf Scholz

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Olaf Scholz, 2019
Unterschrift von Olaf Scholz
Unterschrift von Olaf Scholz
Ehefrau Britta Ernst, 2019

Olaf Scholz (* 14. Juni 1958 in Osnabrück, Niedersachsen) ist ein deutscher Politiker der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Seit März 2018 ist er Stellvertreter der Bundeskanzlerin und Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Scholz ist der Kanzlerkandidat der SPD für die am 26. September 2021 geplante Bundestagswahl 2021.

Leben

Familie und Bildung

Olaf Scholz wurde am 14. Juni 1958 in Osnabrück im deutschen Bundesland Niedersachsen geboren. Sein Vater hatte sich vom Handelsvertreter zum Geschäftsführer mehrerer Textilunternehmen hochgearbeitet. Die Eltern wie auch die Großeltern stammten aus Hamburg-Altona. Sein jüngerer Bruder Jens Scholz (* 7. September 1959 in Osnabrück) wurde Arzt und ab April 2009 Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Sein Bruder Ingo Scholz wurde IT-Unternehmer.[1] Schon als Kind kam Olaf Scholz nach Hamburg, wo er in Großlohe im Hamburger Stadtteil Rahlstedt aufgewachsen ist. Großlohe galt in den 1970er- und 1980er-Jahren als sozialer Brennpunkt. Sein Abitur absolvierte Scholz 1977 am Gymnasium Heegen mit der Gesamtnote 1,6. Im Jahr 1975 trat er mit 17 Jahren in die SPD ein. Nach dem Abitur machte er Zivildienst in einem Altenpflegeheim und studierte von 1979 bis 1985 Jura an der Universität Hamburg.[1] Seinen Abschluss als Rechtsanwalt machte er mit Schwerpunkt Arbeitsrecht. 1982 wurde Scholz stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten.[2]

Karriere

1985 bekam er die Zulassung als Rechtsanwalt in Hamburg.[1] Von 1987 bis 1989 war Olaf Scholz Vizepräsident der International Union of Socialist Youth.[3] 1990 gründete er mit einer Kollegin die Anwaltskanzlei Zimmermann, Scholz & Partner, in der er bis zu seinem Einzug in den Bundestag 1998 als Fachanwalt für Arbeitsrecht tätig war.[1] Von 1994 bis 2000 war er Vorsitzender der SPD Altona, 2000 wurde er Landesvorsitzender der Hamburger SPD.[3] Am 30. Mai 2001 wurde Scholz Nachfolger des zurückgetretenen Innensenators Hartmuth Wrocklage in dem vom Ersten Bürgermeister Ortwin Runde geführten Senat von Hamburg. Die Amtszeit von Olaf Scholz endete nach der Bürgerschaftswahl vom 23. September 2001 mit der Wahl Ole von Beusts der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) zum Ersten Bürgermeister am 31. Oktober 2001. Von Oktober 2002[4] bis März 2004 war Scholz Generalsekretär der SPD.[2] Im Juni 2004 endete seine Tätigkeit als Landesvorsitzender der Hamburger SPD.[3] Von November 2007 bis Oktober 2009 war Scholz unter Kanzlerin Angela Merkel Bundesminister für Arbeit und Soziales in einer Großen Koalition.[2]

Als Spitzenkandidat der SPD ging Scholz am 20. Februar 2011 in die vorgezogene Hamburger Bürgerschaftswahl, die nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition im November 2010 notwendig geworden war. Bei der konstituierenden Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am 7. März 2011 wurde Scholz zum Ersten Bürgermeister gewählt.[5] Von März 2011 bis März 2018 war Olaf Scholz Erster Bürgermeister von Hamburg. Von April 2000 bis Juni 2004 sowie von November 2009 bis März 2018 war er Vorsitzender der SPD Hamburg und von November 2009 bis Dezember 2019 einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD. Im März 2017 veröffentlichte Scholz sein erstes Buch Hoffnungsland: Eine neue deutsche Wirklichkeit. Darinum geht es um Migration, Europa, den Angriff der Rechtspopulisten und die Zukunft der offenen Gesellschaft.[6] Von Februar bis April 2018 war Olaf Scholz kommissarischer Bundesvorsitzender der SPD.[7]

Mit Bildung einer Koalition von CDU, CSU und SPD auf Bundesebene wurde Scholz am 14. März 2018 unter Merkel Bundesminister der Finanzen und Stellvertreter der Bundeskanzlerin. Im August 2019 gab Scholz seine Kandidatur für den Parteivorsitz der SPD im Duo mit Klara Geywitz bekannt,[8] was er zuvor noch ausgeschlossen hatte.[9] Ende November 2019 erhielten in einer Stichwahl jedoch Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans über 50 Prozenz der Stimmen.[10] Am 10. August 2020 wurde Scholz auf Vorschlag der Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans vom Parteivorstand der SPD als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2021 nominiert.[11]

Privat

1999 heirateten Olaf Scholz und Britta Ernst.[2] Sie war damals bis 2011 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und von 2014 bis 2017 Ministerin für Schule und berufliche Bildung in Schleswig-Holstein. 2017 wurde sie brandenburgische Ministerin für Bildung, Jugend und Sport.[12]

Kritik

Drogenpolitik

Olaf Scholz führte knapp ein Viertel Jahr vor der Bürgerschaftswahl 2001 als Hamburger Innensenator den zwangsweisen Einsatz von Brechmitteln bei mutmaßlichen Dealern zur Sicherung von verschluckten Drogen ein. So wollte er gegen die offene Drogenszene am Hamburger Hauptbahnhof, damals eine der größten Europas, vorgehen. Noch im selben Jahr kam dadurch ein 19-jähriger mutmaßlicher Dealer aus Kamerun nach der zwangsweisen Verabreichung des Brechmittelsirups Ipecacuanha ums Leben. 2006 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass zwangsweise Brechmitteleinsätze menschenrechtswidrig seien. Daraufhin wurden sie in Hamburg beendet.[13]

Wirecard

Der 1999 gegründete und seit 2020 insolvente deutsche Zahlungsabwickler und Finanzdienstleister Wirecard kam erstmals 2008 wegen Aktienkursmanipulation ins Gerede.[14] Ab 2015 wiesen Journalisten der britischen Financial Times auf Unstimmigkeiten in der Wirecard-Bilanz hin.[15] Die New Yorker Hedgefonds-Managerin Fahmi Quadir beschäftigt sich ab 2018 mit Wirecard. Sie kam den Machenschaften von Wirecard rasch auf die Spur, warnte vor Geldwäsche und bot der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre Unterstützung an, doch die BaFin lehnte das Angebot zur Aufklärung ausdrücklich ab.[16] Die BaFin untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen.

Am 15. Oktober 2019 erhob die Financial Times erneut den Vorwurf der Manipulation.[17] Wirecard wies auch diese Vorwürfe zurück und beauftragte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer unabhängigen Sonderprüfung, um die Vorwürfe zu entkräften.[18] Im Ergebnis wies KPMG im April 2020 auf das Fehlen wichtiger Unterlagen hin, explizit zu Zahlungen auf Treuhänderkonten in Höhe von einer Milliarde Euro.[19] Erst Anfang Juni 2020 erstattete die BaFin Anzeige gegen den Wirecard-CEO Markus Braun und seine drei Vorstandskollegen wegen Verdacht auf Marktmanipulation und liess die Geschäftsräume durchsuchen.[20] Im Juni 2020 verweigerte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young das Testat für die Bilanz 2019, wenige Tage später meldete Wirecard als erster DAX-Konzern überhaupt Insolvenz an.[21] Nur zwei Tage vor der Insolvenz wollte das Bundesfinanzministerium die staatseigene Ipex-Bank zu einem Kredit für Wirecard drängen. Das Bundesminister der Finanzen unter Leitung von Olaf Scholz verschwieg diesen Vorgang dem Parlament und der Öffentlichkeit. Scholz setzte sich noch im Januar 2019 mit der Unterzeichnung einer Stellungnahme zum sogenannten Finanzdialog in China dafür ein, dass u. a. Wirecard Zugang zum dortigen Finanzmarkt bekommen. Im September 2019 warb Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Staatsbesuch in Peking dafür, unter Mitwirkung des Ex-Verteidigungsministers und Wirecard-Lobbyisten Karl-Theodor zu Guttenberg.[22] Laut Fabio de Masi, Hamburger Bundestagsabgeordneter der Linkspartei und Obmann im Wirecard-Untersuchungsausschuss, bot ihm Wolfgang Schmidt, ein enger Vetrauter von Olaf Scholz, im Sommer 2020 telefonisch einen Deal an, sensible Informationen zum Wirecard-Vorgang schneller herauszugeben, wenn die Opposition im Gegenzug auf die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsauschusses zu Wirecard verzichte.[23]

Cum-Ex

Im größten Steuerbetrug der deutschen Geschichte haben sich Finanzmarktakteure mindestens 32 Milliarden Euro als Steuerrückerstattungen vom Staat auszahlen lassen, obwohl sie vorher keine entsprechenden Steuern gezahlt hatten. Zur Aufklärung beantragte Martin Modlinger von der Stiftung Erneuerbare Freiheit bei allen Landesfinanzbehörden Einsicht in die Akten zum Umgang mit den Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften und berief sich dabei auf die Informationsfreiheitsgesetze der Länder und des Bundes. Sämtliche Finanzministerien lehnten die Anträge mit dem Argument ab, dass sich Bund und Länder darauf verlassen können müssten, dass die Protokolle zu Cum-Ex-Beratungen geheim sind und bleiben, da ansonsten die Vertrauenswürdigkeit der Behörden nachhaltig Schaden nehmen würde. Modlinger klagte dagegen, währenddessen das Bundesfinanzministerium 2019 unter Scholz daran arbeitete, die Informationsfreiheitsgesetze durch die Hintertür über das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ auszuhebeln. Darauf berief sich das Verwaltungsrecht Bremen und wies die Klage ab.[24][25] Durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz stellte der Bundestag Mitte 2020 sicher, dass Vermögenswerte, die aus „Cum/Ex“-Straftaten herrühren, von den Begünstigten behalten werden dürfen, wenn die zugrundeliegenden Steueransprüche verjährt sind. Laut Bundesfinanzministerium unter Leitung von Scholz war diese Regelung unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots verfassungsrechtlich „alternativlos“.[26]

In Scholz seiner Zeit als Ersten Bürgermeister von Hamburg forderte das Hamburger Finanzamt von der Hamburger Privatbank M.M.Warburg & CO 47 Millionen Euro zurück, welche die Bank 2009 durch illegales Dividendenstripping (Cum-Ex) erhalten hatte. Diese Rückforderung wurde später ohne Angabe von Gründen zurückgezogen. Scholz traf sich in den Jahren 2016 und 2017 dreimal mit dem Mitinhaber der Warburg Bank, Christian Olearius, konnte sich aber später nicht mehr an die Gesprächsinhalte erinnern. Weder Scholz noch die Hamburger Senatskanzlei hatten die Öffentlichkeit über zwei der Treffen informiert. Nach einer Anweisung des Bundesfinanzministeriums forderte die Hamburger Steuerbehörde 2017 vor einer erneuten Verjährung 43 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften der Bank aus dem Jahr 2010 zurück.[27][28] Im April 2020 und zu Anfang 2021 beglich die Warburg Bank ihre Steuerschulden von insgesamt 155 Millionen Euro – darunter auch die 47 Cum-Ex-Millionen – unter Vorbehalt. Im November 2020 wurde von der Opposition ein Untersuchungsausschuss konstituiert, der im März 2021 seine Arbeit aufnahm. Dieser wird die Beteiligung von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Olaf Scholz untersuchen.[29] Am 28. Juli 2021 bestätigte der Bundesgerichtshof in einem richtungsweisenden Urteil, dass Cum-Ex-Geschäfte illegal sind.[30]

G-20-Gipfel 2017

2017 fand der G-20-Gipfel in Hamburg statt. Olaf Scholz garantierte als Hamburgs Bürgermeister im Vorfeld die Sicherheit und für einen geregelten Ablauf.[31] Es kam jedoch rund um die Gipfeltage am 7. und 8. Juli 2017 zu schweren Ausschreitungen, wobei hunderte Polizisten und Protestteilnehmer verletzt wurden, zahlreiche Autos angezündet und Geschäfte geplündert wurden. Einen Rücktrittsgrund sah Scholz in einem Sonderausschuss angesichts dieser Ereignisse jedoch nicht.[32]

Werke

  • 2017: Hoffnungsland: Eine neue deutsche Wirklichkeit, ‎ 224 Seiten, Hoffmann und Campe, ISBN ‎ 978-3455001136

Weblinks

Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Olaf Scholz - Munzinger Biographie
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Olaf Scholz (SPD): Wer ist der Mann, der jetzt Hamburg regieren wird? - Politik - Bild.de, 20.02.2011
  3. 3,0 3,1 3,2 Deutscher Bundestag: Scholz, Olaf @ Wayback Machine
  4. Olaf Scholz wird SPD-Generalsekretär: Strammer Max - DER SPIEGEL, 30.09.2002
  5. Machtwechsel: Scholz ist neuer Bürgermeister von Hamburg | ZEIT ONLINE, 7. März 2011
  6. "Hoffnungsland": Olaf Scholz denkt über die Zukunft der deutschen Gesellschaft nach - Politik - Tagesspiegel, 17.03.2017
  7. Bundesfinanzministerium - Bundesfinanzminister Olaf Scholz (abgerufen am 23. Juni 2021)
  8. SPD: Olaf Scholz bewirbt sich mit Klara Geywitz für Parteivorsitz - DER SPIEGEL, 20.08.2019
  9. SPD-Krise: Olaf Scholz will nicht SPD-Parteivorsitzender werden | ZEIT ONLINE, 3. Juni 2019
  10. SPD-Mitglieder stimmen für Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans - DER SPIEGEL, 30.11.2019
  11. Bundestagswahl: SPD-Spitze nominiert Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten | ZEIT ONLINE, 10. August 2020
  12. Landesregierung Brandenburg im Überblick - 7. Legislaturperiode | Landesregierung Brandenburg (abgerufen am 21. Juni 2021)
  13. Kein Brechmittel für Dealer – Hamburg zieht Schlussstrich, 02.07.2021
  14. Zahlungsdienstleister - Wie ein Blogger bereits 2008 den Skandal bei Wirecard aufzeigte | cash, 25.06.2020
  15. House of Wirecard | FT Alphaville @ Wayback Machine
  16. Berliner Zeitung - Wirecard: Die Frau, die die Verbrecher an ihrer empfindlichsten Stelle traf, 6.3.2021
  17. Wirecard-Aktie stürzt nach neuen Betrugsvorwürfen ab - DER SPIEGEL, 15.10.2019
  18. Wirecard beruft KPMG als Sonderprüfer, Aktie im Plus mit Kursgewinnen - manager magazin, 21.10.2019
  19. Bilanzmanipulation: KPMG-Prüfung scheint Wirecard weiter zu entlasten | heise online, 28.04.2020
  20. Wirecard: Staatsanwaltschaft durchsucht Konzernsitz - DER SPIEGEL, 05.06.2020
  21. Wirtschaftsprüfer EY versucht nach Wirecard-Skandal den Neuanfang | Reuters, February 25, 2021
  22. Wirecard: Staatssekretär Jörg Kukies schlug noch kurz vor Insolvenz Kredit der KFW-Tochter Ipex vor - DER SPIEGEL, 16.03.2021
  23. SPD-Kanzlerkandidat: Wem vertraut Olaf Scholz? | tagesschau.de, 15.08.2021
  24. Gesetzesänderung verhindert Aufklärung des Cum-Ex-Skandals - Aktentaucher, 6. März 2021
  25. netzpolitik.org | Hintertür in E-Auto-Gesetz: Bundestag schafft Cum-Ex-Ausnahme von Informationsfreiheit, 04.12.2019
  26. Heimliche Großzügigkeit – Verfassungsblog, 26 Juli 2020
  27. Cum-Ex-Skandal: Folgt ein Untersuchungsausschuss? | NDR.de - Nachrichten - Hamburg, 04.09.2020
  28. Cum-Ex-Skandal: Bankier suchte Hilfe bei Scholz | Das Erste - Panorama - Sendungsarchiv - 2020, 03.09.20
  29. Untersuchung des Cum-Ex-Skandals: Verräterisches Tagebuch - taz.de
  30. Urteil des Bundesgerichtshofs: Cum-Ex-Geschäfte sind strafbar | tagesschau.de, 28.07.2021
  31. Frühere Zitate zur Sicherheit des G20-Gipfels - WELT, 08.07.2017
  32. NDR.de | Scholz: "Bei G20-Toten wäre ich zurückgetreten" | NDR.de - Nachrichten - Hamburg, 10.11.2017 @ Wayback Machine