Mundharmonika

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Mundharmonika
englisch Harmonica (ugs.: Harp)
italienisch Armonica a bocca
französisch Harmonica
chromatische (oben) und diatonische (unten) Mundharmonika
chromatische (oben) und diatonische (unten) Mundharmonika
Klassifikation Aerophon
Durchschlagzungeninstrument
Tonumfang meist drei Oktaven
Klangbeispiel Audio-Datei / Hörbeispiel chromatische Akkorde auf einer Chromatikmundharmonikai
Verwandte Instrumente Akkordeon, Sheng, Shō
Musiker Kategorie:Mundharmonikaspieler
Schematische Darstellung einer Mundharmonika

Die Mundharmonika ist ein Musikinstrument aus der Gruppe der Harmonikainstrumente. Sie hat parallel angeordnete Luftkanäle mit Durchschlagzungen aus Metall zur Erzeugung der Töne. Die Luftkanäle werden direkt mit dem Mund angeblasen. Man unterscheidet zwischen der chromatischen und der diatonischen Mundharmonika. Bei der diatonischen Mundharmonika sind ausschließlich Stimmzungen vorhanden, die leitereigene Töne der Tonart erzeugen, in der die Mundharmonika gestimmt ist. Zum Beispiel hat eine diatonische C-Dur-Mundharmonika also nur die Töne C, D, E, F, G, A und H. Die diatonischen Mundharmonikas ermöglicht es, einfache Melodien gleichzeitig mit Begleitakkorden zu unterlegen. Dafür sind jedoch nicht alle chromatischen Töne verfügbar. Im Vergleich zu den meisten anderen Musikinstrumenten ist die Mundharmonika klein, kostengünstig und wenig empfindlich. Sie gilt als das weltweit meistgebaute Instrument.[1]

Die moderne Mundharmonika besteht aus freien Metallzungen, die in Schlitze in einem kleinen metallumschlossenen Holzrahmen eingelassen sind und durch zwei parallele Reihen von Windkanälen mit Wind versorgt werden. Die Töne der diatonischen (Siebenton-)Tonleiter werden durch abwechselndes Blasen und Saugen erzielt. Bei chromatischen (12-Noten-Skala) Modellen wählt ein fingerbetätigter Anschlag einen von zwei Sätzen von Stimmzungen aus, die einen Halbton auseinander gestimmt sind. Der Kompass reicht hierbei von zwei bis vier Oktaven.[2] Die Mundharmonika wird besonders in der europäischen Volksmusik, im Blues und der Old-Time Music eingesetzt. Bekannte Hersteller von Mundharmonikas waren unter anderen F. A. Böhm, F. A. Rauner, Köstler, die Magnus Harmonica Corporation oder Thorens. Aktuelle bekannte Hersteller sind u. a. C. A. Seydel Söhne (CASS) oder Hohner. Die Mundharmonika ist verwandt mit Instrumenten wie Akkordeon, Sheng und Shō.

Geschichte

Die Ursprünge der Mundharmonika reichen zurück bis nach 3000 v. Chr. Damals wurde das heutige Prinzip der Mundharmonika von den alten Chinesen genutzt. Die Blasmusikorgel Sheng aus Bambusrohr hatte ebenfalls eine frei schwingende Stimmzunge und wird ort immer noch gespielt. Nach Europa gelangten Shengs ab dem Jahr 1600.[1] Erst Anfang des 19. Jahrhunderts erreichte diese Art der Tonerzeugung in Europa größere Bekanntheit.[1] Die Erfindung der Mundharmonika wird oft dem deutschen Musikinstrumentenbauer Christian Friedrich Ludwig Buschmann (1805–1864) zugeschrieben.[2] Buschmann widmete sich früh der Musik und dem Instrumentenbau. 1821 baute er zum Studium des Luftstromeinflusses auf die Klangwirkung ein Metallzungeninstrument, das 10 cm groß, mit 15 Stahlzungen und ebenso vielen Tonlochkanzellen versehen, mit dem Mund angeblasen wurde. Darauf folgten größere Ausführungen mit bis zu zwei Klaviaturen. Damit schuf er die ersten Vorbilder für die Mund- und die Handharmonika (Akkordeon).[3]

Inspiriert von einer Maultrommel befestigte der deutsche Volkskünstler Johannes Weinrich (1793–1855) aus dem thüringischen Heiligenstadt Messingzungen auf einem Holzkloben und bespielte womöglich als als erster Mensch überhaupt eine daraus gebastelte Mundharmonika. Er vermarktete sie jedoch nicht. Der österreichische Spieluhren-Fabrikant Anton Reinlein (um 1766–1834) aus Wien erlangte 1824 ein Patent für „Verbesserungen der Mundharmonika“.[1] Der aus dem brandenburgischen Rathenow stammende Friedrich Wilhelm Thie (1803–1869) erwarb 1824 in Wien eine Buschmann-"Mundharfe". Er baute diese nach und gründete dort 1834 die erste Mundharmonikafabrik der Welt.[4] 1826 begann Ignaz Hotz in Knittlingen Mundharmonikas zu fertigen. Sein Sohn Matthias Friedrich Hotz arbeitete im Unternehmen mit und erfand 1847 die Oktav-Mundharmonika.[5] Zu Beginn der 1830er-Jahre fertigte Christian Messner (1805–1874) im südbadischen Trossingen erste Mundharmonikas, später machte sich auch sein Cousin Christian Weiss hier selbstständig. Der Uhrmachergeselle Matthias Hohner (1833–1902) besuchte die Mundharmonika-Fabriken von Messner und Weiss und fabrizierte daraufhin mithilfe der Familie und zwei Arbeitern die Mundharmonika. Er war so erfolgreich damit, dass er später die Produktion von Messner übernahm.[1]

Auch in Klingenthal entstand eine Tradition für Harmonikas. Begründer war der Holzblasinstrumentenmacher und Musikalienhändler Johann Wilhelm Rudolph Glier (1793–1873). Er verkaufte seine Instrumente bis nach Sankt Petersburg. Ab 1827 stellte der Geigenbauer Johann Georg Meisel gemeinsam mit dem Metall-Verarbeiter Johann Langhammer (1798[6]–unbekannt) ebenfalls in Klingenthal Mundharmonikas her. 1839 gab es in hier bereits 50 Betriebe. 1847 gründete Christian August Seydel (1824–1882[7][8]) in Untersachsenberg/Klingenthal i.Sa. die erste Mundharmonika-Fabrikation in Deutschland. Neben Böhm und Rauner entwickelte sich Seydel bald zum wichtigsten Produzenten der Region. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg der Ort zum Weltzentrum der Harmonikaproduktion auf.[1] 1857 gründete Matthias Hohner das heute noch bestehende Unternehmen Hohner zur Herstellung von Musikinstrumenten.[9] 1862 begann Hohner auf Anregung von ausgewanderten Verwandten mit dem Export von Mundharmonikas in die Vereinigten Staaten. Seydel wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ein „Volkseigener Betrieb“, nach dem Mauerfall 1989 ging das Unternehmen wieder in Familienbesitz über. Seydel ist die älteste noch produzierende Mundharmonika-Manufaktur der Welt.[1]

Literatur

  • 1996: Die Mundharmonika - Ein muskalischer Globetrotter, 214 Seiten, Transit Buchverlag, ISBN 9783887471101
  • 2002: "In aller Munde": Mundharmonika - Handharmonika - Harmonium: Eine 200-jährige Erfolgsgeschichte, Conny Restle, 79 Seiten, Staatliches Institut für Musikforschung, ISBN 978-3922378204
  • 2010: Maulhobel, Zauberharfe, Schnutenorgel: Eine Kulturgeschichte der Mundharmonika, Sören Birke, 150 Seiten, Arkadien-Verlag, 2. Auflage, ISBN 978-3940863140
  • 2016: Das große Mundharmonika-Buch: Spieltechniken, Übungsanleitungen und 100 Songs für diatonische Mundharmonika, Olaf Böhme, 232 Seiten, ISBN 978-3000523748

Weblinks

Quellen