Chronik der Paläoanthropologie

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Chronik der Paläoanthropologie

Vor 1900

  • 1829: Der Belgier Philippe-Charles Schmerling (1790-1832) findet in den belgischen Höhlen von Engis und Engihoul Knochen eines Urmenschen und Steinwerkzeugen, den er 1833 richtig beschreibt, aber keiner glaubt ihm, selbst Darwin-Unterstützer Thomas Huxley hält ihn 1863 noch für einen Jetztmenschen. Es sind die ersten gefundenen Neandertaler.

 

  • 1846: Der französische Zöllner und Amateur-Archäologe Jacques Boucher de Perthes (1788 -1868 ) veröffentlicht seine Erkenntnisse, dass von ihm in Abbeville, Picardie gefundene Faustkeile von Urmenschen geschaffen wurden. Dies wird nicht zuletzt aus religiösen Gründen von der Wissenschaft abgelehnt. Die meisten meinen, der Mensch sei erst nach der Sintflut vor 6.000 Jahren entstanden. Ab den 1850ern überzeugen sich jedoch immer mehr Gelehrte vor Ort von den Befunden.[1]
  • 1848: Der Schädel einer Neandertalerin wird in Gibraltar gefunden, aber bis in die 1860er nicht als solcher erkannt.

 

Datei:Neandertal adam ve kadın modeli, Almanya.png
Rekonstruktion eines männlichen und weiblichen Homo neanderthalensis
  • 1856: Der "Neandertaler" (Homo neanderthalensis) wird auch in der Kleinen Feldhofer Grotte bei Düsseldorf entdeckt. Noch die 60er Jahre sind von der Auseinandersetzung über die Möglichkeit von Urmenschen geprägt. Hermann Schaaffhausen erkennt einen Urmenschen, der christliche Anatom Franz Josef Karl Mayer ( 1787- 1865) behauptet, es sei ein "rachitischer Kosake", die Knochen von Becken und Beinen würden langes Reiten belegen, der Schädel sei aufgrund von Krankheit verformt. Im Gegensatz dazu betont der irische Geologe William King (1809-1886) 1864 die Affenähnlichkeit, George Busk (1807-1886) die Gleichartigkeit des Schädels und dem von Gibraltar 1848, Charles Lyell deutet auch die belgischen Funde so. 1867 werden die Fossilien als eine sich vom Jetztmenschen unterscheidende Chronospezies erkannt, damals hält man ihn noch für einen Vorfahren.

 

  • 1868: Überreste des Cro-Magnon-Menschen werden in der Halbhöhle Abri de Cro-Magnon am Ortsrand von Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil, Département Dordogne in Frankreich gefunden.
  • 1868: Entdeckung von Höhlenmalereien in "Altamira", Nordspanien. Die 1879 veröffentlichten Malereien stoßen bei der Fachwelt auf Ablehnung, erst als auch in der französischen Dordogne Malereien entdeckt werden, wird Altamira zur Weltsensation.

 

  • 1871: In “The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex” vertritt Charles Darwin die Auffassung, dass Affe und Mensch einen gemeinsamen Vorfahren haben, der aus Afrika stammt.

 

  • 1890: Der niederländische Anthropologe, Geologe und Militärarzt Eugène Dubois (1858-1940) findet den "Java-Menschen", heute "Homo Erectus" zugeordnet, in Indonesien. Damals nennt man die Chronospezies noch "Pithecanthropus erectus". Nach heutigem Kenntnisstand ist der Erectus vor 1,9 Mio. Jahren entstanden, er war der erste Hominini, der Feuer machen konnte und der erste, der Afrika nach Europa und Asien verließ.

20. Jahrhundert

  • ab 1903: Erforschung der nordspanischen "El-Castillo-Höhle". Ihre Graffiti-Malereien gelten seit kurzem mit 40.000 Jahren als die ältesten der Welt.[2]
  • 1907: Ein 610.000 Jahre alter "Homo heidelbergensis" (Heidelbergmensch) wird bei Heidelberg, Baden-Württemberg entdeckt. Er gilt heute als Vorfahr des Neanderthalers.[3]
  • 1908: "Venus von Willendorf" ist eine Figurine aus der Altsteinzeit, Niederösterreich.

1910er

  • 1912: Der britische Altertumsforscher, Amateur-Archäologe und -Geologe Charles Dawson (1864-1916) verkündet die Entdeckung des englischen "Piltdown Man", der lange als "Missing Link" angesehen und erst 1951 als Fälschung entlarvt wird.
  • 1913: Der deutsche Geologe Hans Reck (1886–1937) erkennt im damals deutschen Tansania die Außergewöhnlichkeit der Fossilienstätten der Olduvaischlucht.

1920er

  • 1924: "Australopithecus": Der an der Uni Witwatersrand tätige australische Anatom und Paläoanthropologe Raymond Dart (1893-1988) beschreibt einen von Arbeitern in einem Steinbruch gefundenen "Australopithecus africanus" in Südafrika, das "Kind von Taung".
  • 1927: "Pekingmensch" (heute "Homo erectus"). Öffentliche Ausstellung von seit 1917 u.a. vom Schweden Anders Birger Bohlin ausgegrabenen Fossilien aus dem chinesischen "Zhoukoudian". Die bis Kriegsausbruch gemachten Funde gehen 1941 aber alle verloren.[4]

1930er

  • 1933: In Steinheim an der Murr, Baden-Württemberg wird der ca. 300.000 Jahre alte Schädel einer Frau gefunden, heute meist Homo heidelbergensis zugeordnet
  • 1936: Der gebürtige Schotte Robert Broom (1866–1951) findet in den südafrikanischen Kalkhöhlen von Sterkfontein in Gauteng den ersten erwachsenen "Australopithecus africanus". 1938 entdeckt er einen noch primitiveren "Paranthropus robustus".
  • 1939: Bruchstücke des "Hohlensteiner Löwenmenschen" werden in der Schwäbischen Alb gefunden. Sie werden erst 30 Jahre später zu einem der bekanntesten Kunstwerke des Aurignacien zusammengesetzt.

1940er

  • 1940: Die Höhle von Lascaux mit bedeutenden Malereien wird im französischen Département Dordogne wird von Marcel Ravidat, Jacques Marsal, Georges Agnel und Simon Coencas entdeckt. In den 1960ern wird sie fürs Publikum gesperrt, weil die Atmung zu Pilzbefall führt.[5]
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Louis Leakey

1960er

  • 1964: Der britische Paläoanthropologe Louis Leakey (1903-1972) beschreibt den ab 1960 in der tansanischen Olduwaischlucht gefundenen "Homo habilis" ("geschickter Mensch"), einen aufrecht gehenden Hominiden, der von 2,1 Mio.J. bis 1,5 Mio.J in Ostafrika lebte. Die Existenz als Taxon bzw. Einordnung als Hominide ist aber bis heute umstritten, es könnte z. B. auch eine Art Australopithecus sein. In der Gegend wurden Werkzeuge gefunden, wenn diese von dieser Art stammen, gehört er zu Homo, doch das ist nicht eindeutig. [6]
  • ab 1965: Der Rhodesier Charles Kimberlin Brain (* 1931) folgt in Südafrika Brooms Spuren und untersucht verschiedene Höhlen, v.a. in "Swartkrans" bei Johannesburg. Vor 1 Mio.Jahren beherrschten die Bewohner das Feuer.[7]

1970er

  • 1972: Der "Homo rudolfensis" wird unter der Leitung des kenianischen Paläoanthropologen Richard Leakey (* 1944), Sohn von Louis, in Koobi Fora, Nordkenia gefunden und beschrieben. Auch dies ist eine eher umstrittene Bezeichnung, manche sagen auch "Australopithecus rudolfensis".
  • 1972/73: In der seit 1808 bekannten Fundstätte "Bilzingsleben" in Nordthüringen wird ein 370.000 Jahre alter "Homo erectus" gefunden.[8]
Donald Johanson
  • 1974: Der US-amerikanische Paläoanthropologe Donald Johanson (* 1943) und Tom Gray finden im Afar-Dreieck, in Nordäthiopien einen 3,18 Millionen Jahre alten, nach dieser Region benannten Australopithecus afarensis, genannt „Lucy“. Die Erwachsene ist zu 40% vollständig, was vergleichsweise viel ist, sie war 1,09m m groß und wog 27kg.
  • 1975: Der afrikanische Homo Erectus wird von Colin Groves und Vratislav Mazák als "Homo ergaster" ("arbeitender Mann") beschrieben
  • 1978: Louis Leakeys Witwe Mary Leakey und der US-amerikanische Paläoanthropologe Tim White (* 1950) entdecken im nordtansanischen "Laetoli" 59 Zweibeinerspuren, die sie Australopithecus Afarensis zuschreiben. Leakey schätzt die Größe der Spurenerzeuger auf 124-145 cm. Die Wissenschaft der Spurenkunde heißt seit 1830 "Ichnologie", die der alten Spuren "Palichnologie".

1980er

  • 1984: Der fast vollständige "Turkanaboy" wird in Kenia von Kamoya Kimeu (*ca.1940), Mitarbeiter Leakeys, entdeckt. Es ist vermutlich ein "Homo ergaster" bzw. erectus.[9][10]

1990er

  • ab 1991: "Homo erectus georgicus" wird in Dmanissi, Georgien freigelegt.
  • ab 1991: Erforschung der südafrikanischen "Blombos-Höhle"
  • 1994: "Ardipithecus ramidus" wird von dem äthiopischer Paläoanthropologen Yohannes Haile-Selassie (* 1961) und dem US-amerikanischen Paläoanthropologen Tim White (* 1950) gefunden und 2009 beschrieben. 4,4 Millionen Jahre alt, konnte er schon aufrecht gehen, vielleicht ein Vorläufer von Australopithecus.[11]
  • 1994: “Little Foot”: Der Brite Ronald Clarke (* 1944) findet in der südafrikanischen "Sterkfontein Höhle" ungewöhnlich gut erhaltene Knochen, die in jahrelanger Arbeit freigelegt werden.
  • 1994: Die französische "Chauvet-Höhle" wird mit bedeutenden Höhlenmalereien entdeckt, die älter sind als die von Altamira und Lascaux. Sie war von etwa 35.000-25.000 bewohnt. [12]
  • 1996: "Australopithecus garhi": Gefunden vom äthiopischen Paläoanthropologen Berhane Asfaw (* 1954) und Tim White. Er lebte vor etwa 2,5 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Äthiopien am Awaschfluss (Afar Senke).

21. Jahrhundert

Schädel von Sahelanthropus tchadensis
  • 2001: Meave Leakey (Frau von Richard) und ihre Tochter Louise Leakey veröffentlichen eine Erstbeschreibung vom gut 3 Mio.Jahre alten (Pliozän) "Kenyanthropus platyops", der ein flacheres Gesicht als Australopithecus hat.

 

  • 2002: Die 2001 im Tschad gefundenen Fossilien des "Sahelanthropus tchadensis" werden von dem französischen Paläontologen und Paläoanthropologen Michel Brunet (* 1940) trotz einer Gehirngröße von nur 1/3 des Jetztmenschen 2002 als Hominide beschrieben, darin unterstützt von Tim White. Eine Mehrheit sieht in den Funden aber trotz nachgewiesen aufrechten Gangs eher einen Vorläufer der Affen, wie Milford Wolpoff (* 1942) im gleichen Jahr feststellte, der den Namen "Sahelpithecus" vorschlug.[13]

 

  • 2003: Homo floresiensis („Mensch von Flores“): ein auffallend kleiner Hominine wird auf Flores, Indonesien, gefunden.

 

  • 2004: 790.000 Jahre alte Feuerstelle in Israel entdeckt

 

  • 2008: Die 35.000-40.000 Jahre alte "Venus von Hohle Fels" von der Schwäbischen Alb 20km westlich von Ulm ist die älteste Statue eines Menschen, 6 cm groß, 33g schwer.[14]

 

  • 2009: Auf der Schwäbischen Alb werden 35.000 Jahre alte (Aurignacien) Flöten gefunden, sie sind aus dem Flügelknochen eines Gänsegeiers.

2010er

  • 2010: "Australopithecus sediba" wird in Südafrika beschrieben, er lebte vor 1,97 Millionen Jahren und gilt mit seinem menschlichen Becken als Übergangsform von Australopithecus zu Homo.[15]
  • 2010,2011: Der 2008 entdeckte "Denisova-Mensch" aus Georgien wird von Johannes Krause und Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig als dritte Unterart dargestellt, die mit Jetztmenschen und Neanderthalern vor 40.000 Jahren in Europa lebte.[16]

 

  • 2011: Die ab 1979 entdeckten südchinesischen "Rotwildhöhlen-Menschen", die nur 11,500 bis 14,500 Jahre alt sind, unterscheiden sich von anderen Jetztmenschen.[17]

 

  • 2012: Eine in der schwäbischen "Geißenklöstere"-Höhle gefundene Knochenflöte wird jetzt mit neuer Methodik auf ca. 43.000 Jahre datiert.[18][19]
  • 2014: Primitive Neanderthalerkunst wird in der Gorham-Höhle von Gibraltar entdeckt[20]

Siehe auch:

Chronik der Paläozoologie

Weblinks

Quellen