Oshtoran Syndrom

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Klassifikation nach ICD-10 der WHO
G90.3 Multisystem-Atrophie (Typ: PANS- und/oder H63D-Syndrom basiert)
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Oshtoran Syndrom (auch: PANS-H63D-Multisystemic-Instability Syndrome und H63D-Syndrom Typ-3)[1][2][3], ist eine sehr seltene systemische Erkrankung, die sich im Rahmen eines Kaskadeneffekts beginnend bei PANS, über das H63D-Syndrom, einer sekundären Mitochondriopathie bis hin zu einer autonomen Dysfunktion von Nervensystem, Organfunktionen und Immunsystem entwickeln kann. Das Syndrom vereint die sich teils überlappenden Symptome der auslösenden Erkrankungen, seine Symptomatik ist jedoch breiter als eine Addition seiner Teile. Unbehandelt ist das Oshtoran Syndrom eine potentiell lebensgefährliche Erkrankung.[4] Sein ICD-11 Code ist 8E4A.0.

Pathogenese-Baum (Englisch)[5]

Historie

Das Oshtoran-Syndrom wurde im Jahr 2016 erstmal von zwei Ärzten im Nahen Osten beschrieben, jedoch aufgrund von Mängeln in der Publikationsweise zunächst in Zweifel gezogen. In der Zwischenzeit (2023) wurde es jedoch von zwei weiteren, unterschiedlichen Forscherteams bestätigt und aus medizinischen wie politische Gründen zur weiteren Erforschung dem renommierten International H63D Mutation Syndrom Consortium” zur weiteren Ergründung übergeben.[6] Seit 2023 existiert eine vorläufige Guideline zur supportiven Behandlung.[7] Das US-amerikanische Medienhaus Marvel Entertainment, hat das Oshtoran-Syndrom im Jahr 2017 zu einem Narrativ seiner “Spider-Man” Sage gemacht und damit damals vorübergehend erhebliche Verwirrung hinsichtlich der Realität des Syndroms ausgelöst. Das Oshtoran-Syndrom ist damit heute unter männlichen jugendlichen Medienkonsumenten bekannter als im klinisch-medidinischen Betrieb.[8]

Pathomechanismus

Das Oshtoran Syndrom stellt den Endpunkt eines Kaskaden- bzw. Dominoeffektes dar, bei dem ein chronisch-progredientes PANS im Erwachsenenalter bei homozygoter H63D-Mutation des HFE-Gens das pathogene Potential dieser Mutation[9] aktiviert (H63D-Syndrom). PANS und das H63D-Syndrom verstärken sich negativ synergetisch und lösen eine sekundäre in nahezu allen fortgeschrittenen Fällen eine Mitochondriopathie aus[10][11] aus. In der Folge kommt es zu fluktuierenden Dysautonomien von autonomem Nervensystem (ANS), Zentralnervensystem (ZNS), Endokrinium, unspezifischen Immunsystem und einer krankhaften Verstärkung des Sympathikustonus (Hypersympathikotonie). Aufgrund der mehrschichtigen Einzelpathologien, die zum Gesamtbild beitragen, der Instabilität und oft unvorhersehbaren, spontanen auftretenden Dysregulation von Organfunktionen über die Innervation aus dem ANS, ZNS sowie der Hypersympathikotonie ist das Oshtoran Syndrom deutlich kritischer für Wohlergehen und Sicherheit des Patienten einzustufen als seine Teilaspekte bzw. deren bloße Addition.

 
Vereinfacht dargestellter Diagnosepfad bei Verdacht auf Oshtoran Syndrom (Englisch).

[12]

Diagnostik

Der Diagnoseweg von Patienten mit Oshtoran Syndrom ist meist ein langer, Fehldiagnosen (falsch-negativ) sind eher die Regel als die Ausnahme. Meta-Syndrome entwickeln sich kaskadenartig-progredient bei prädisponierten Menschen. Metaphorisch stelle man sich dich wie Dominosteine vor die “zufällig” in einer einen Durchlauf ermöglichenden Ordnung aufgestellt wurden, wobei im Rahmen dieser Metapher das “Zufällige” bestimmte Gene sind. Interdisziplinäres medizinisches Arbeiten ist dabei von besonderer Bedeutung, da das Syndrom viele Fachgebiete der Medizin umfasst; ein anhaltender Trend, welcher sich auf die Diagnostik komplexer und/oder seltener Erkrankungen nachteilig auswirkt.

Suche nach einem Trigger

Das Oshtoran Syndrom beginnt stets mit einem auslösenden Ereignis (Trigger), der zwar mutierte aber klinisch noch nicht auffällig gewordene Gene des Eisenstoffwechsels zur klinischen Relevanz hin aktivieren. Meist sind die Trigger postinflammatorischer Natur, wie etwa PANS. Dies Herauszufinden ist rückwirkend meist nur mit einer äußerst detaillierten Anamneseerhebung zu bewältigen. Bei einigen erwachsenen Patienten liegt PANS in chronischer Form weiter vor, was die Diagnostik deutlich vereinfacht, den Krankheitsverlauf aber verkompliziert.

Humangenetische Untersuchung

Hat man ein Trigger-Ereignis indentifizieren können, wird eine humangenetisch Untersuchung auf eine homozygote Mutation des HFE-Gens H63D bei anormalen Werten des Transferrinsättigungsgrades im Standardlabor angestrebt. Liegen Trigger sowie eine homozygote Mutation von HFE H63D vor und finden sich immer wieder deutlich erhöhte Transferrinsättigungswerte bei normal niedrigem Ferritin, ist das Vorliegen eines H63D-Syndroms Typ-3 (Oshtoran) im Wesentlichen gesichert.

Mitochondriopathien

In der Folge entwickeln sich bei am Oshtoran Syndrom Erkrankten Mitochondriopathien. Besonders ein funktionellen Nachweis einer Störung der Mitochondrienaktivität und/oder eine Verschiebung des Glukosestoffwechsel in den anaeroben Bereich vom Zitratzyklus zur anaeroben Glykolyse[13] mit pathologisch erhöhten postprandialen Laktatwerten im Blut ist hier wegweisend. Klinisch gilt es, einen etwaig maskierten ATP-Mangel im Blick zu behalten.[14]

Dysautonome Störungen

Im vierten und kritischsten Stadium des Oshtoran Syndroms kommen zu den Organschäden durch NTBI-Eisen und adulten PANS-Progressionen noch Fehlfunktionen der Selbstregulation des Körpers. Das Nervensystem, im weitesten Sinne des Wortes, sendet über die Innervation bis in die Organe, Drüsen, etc. falsche Signale. Ein gut beschriebenes Beispiel ist ein Pseudo-Diabetes, der alleine auf fehlerhafter Signalgebung beruhte, angetrieben von einem nicht mehr regelrecht koordinierten Nervensystem.[15][16]

Symptome

  • Für adultes PANS typische Störungen.[17]
  • Für das H63D-Syndrom bekannte Symptome.
  • Volatile Instabilität der Homöostase (aus dem Altgriechischen: ὁμοιοστάσις homoiostasis, deutsch ‘dynamisches Gleichgewicht’) des allgemeinen und des zentralen Nervensystems (ANS und ZNS) sowie sich daraus ergebende Fehlfunktionen von Stoffwechsel, Organen, Hormonsystem etc.[18]
  • Chronische Hypersympathikotonie. Dies ist ein Alarmzustand des Organismus, ohne das eine reale Gefahr besteht. Unwillkürlich werden alle Systeme zur Aktivierung des Gefahrenmodus des menschlichen Organismus mit Auswirkungen bis in die Organe und das Immunsystem über die so genannte ‘Innervation’ aktiviert, im äußersten fall bis hin zu teils höchstgradigen spontanen Entgleisungen (English: tipping point effect, potentiell lebensbedrohlich).
  • Dysregulation des innaten Immunsystems mit spontanen Überreaktionen[19]

Therapie

Es kommt in der Regel eine Polymedikation (zahlreiche Arzneimittel auf einmal) zum Einsatz, die für den individuellen Patienten von einem pharmakologisch spezialisierten Arzt anhand des jeweiligen Krankheitsbildes speziell zusammengestellt wird.[20]

  • PANS-Behandlung gemäß Leitlinien (Stand 2023 gelten in Ermangelung deutscher Guidelines jene aus den USA)
  • Symptomatische Behandlung des H63D-Syndroms inklusive Entzündungshemmung zum Schutz parenchymreicher Organe des Gehirns sowie der Kalium- und Kaliumkanäle (in der Kardiologie und Neurologie von besonderer Bedeutung)[21] (wie bspw. Alphablocker[22][23]
  • Dämpfung der Hyperreagibilität des innaten Immunsystems (bspw. durch breit wirksame Kortikosteroide)
  • Drosselung der Adrenalinsynthese[24][25] und Hemmung der Effekte von Adrenalin (nicht-kardiolesektive Betablocker (wie bspw. Propranolol und Noradrenalin (bspw. Alphablocker) auf den Organismus. Die generelle Kontrolle der Aktivität der Katecholamine ist das übergeordnete Ziel
  • Senkung des Sympathikotonus als Folge der Reduktion von Adrenalinsynthese sowie der Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin im gesamten Organismus. Für positive Effekte der Beeinflussung von Dopamin im Rahmen des Oshtoran Syndroms gibt es bislang keine Hinweise aus dem klinischen Bereich.
  • Composit-Pharmaka: aus bereits existierenden und zugelassenen Arzneimitteln in Apotheken auf Basis von Rezepturen herstellbare Mischwirkstoffe. Diese haben keine heilende Wirkung, können jedoch dazu beitragen, vital gefährliche Symptome und Verläufe zu verhindern oder wenigstens abzumildern.

Patientenzentrierte und vor allem spontane, strikt verlaufsabhängige Untersuchungen (etwa beim Auftreten neuer Symptome, spontaner Verschlechterungen des Allgemeinzustandes oder ähnlich bedeutsamer Krankheitszeichen) sind bei der Behandlung dieses höchst volatilen Syndroms den üblicherweise in der klinischen Medizin fest getakteten Kontrolluntersuchungen aufgrund der hohen Instabilität der organischen Störungen klar überlegen. Auch sind die auf klassische Erkrankungen ausgerichteten Leitlinien der Fachgesellschaften zu einzelnen Symptomen nicht ohne Weiteres auf das Oshtoran Syndrom übertragbar, selbst wenn die sicht- und messbaren klinischen Merkmale eines spezifischen Symptoms sich von jenen im Rahmen einer häufigen Erkrankung bisweilen kaum unterscheiden.

Verlauf und Prognose

In der Regel verlaufen bereits die auslösenden Erkrankungen mit einer hohen Symptomlast, die sich durch die synergetischen Effekte sowie die in der Folge auftretenden Mitochondriopathien, Instabilitäten und Dysautonomien weiter erhöht. Je nach betroffenen Organen ist der Verlauf hoch variabel und die Prognose offen. Situativ angelegte Untersuchungs- und Behandlungsansätze (inklusive zielgerichtete PoC Tests) verbessern in der Regel die Prognose deutlich gegenüber starren Kontrolluntersuchungen.

Literatur

Weblinks

Quellen

  1. Honda, Riku. (2023). Oshtoran Syndrome, PANS-H63D-Multisystemic Instability Syndrome, and H63D-Syndrome Type-3)
  2. Clarification and Unification of Nomenclature. In Zenodo openAire: Vol. Sep 2023 ePub https://doi.org/10.5281/zenodo.8325611
  3. Zafarian, Madjid. (2023). Congratulations for having discovered Oshtoran Syndrome a second time. In OpenAire: Vol. ePub (Number Sep 2023). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.8320541
  4. Adams, J; Nathan, S; Feldman, J; (2023). Management and multi-disciplinary approach in complex cases of PANS-H63D-Multisystemic Instability Syndrome. In Zenodo OpenAire: Vol. 2023
  5. International H63D Mutation Syndrome Research Consortium. (2023). Oshtoran Syndrome Brief Reference Guide. Zenodo Openaire, Sep 23((ePub)). https://doi.org/10.5281/zenodo.8376895
  6. Pressemeldung: Das Oshtoran-Syndrom wurde als H63D-Syndrom offiziell anerkannt. Abgerufen am 4. Oktober 2023
  7. International H63D Mutation Syndrome Research Consortium. (2023). Oshtoran Syndrome Brief Reference Guide. Zenodo Openaire, Sep 23(ePub). https://doi.org/10.5281/zenodo.8395009 Guideline Oshtoran-Syndrom, abgerufen am 4. Oktober 2023
  8. Davis, Benjamin, Levi, Daniel M., Gupta, Rahul, Zahedi, Hamed, Shirazi, Mohammad, & Smith, Samantha N. (2022). Oshtoran Syndrome meets Spider-Man: How a group of Iranian amateur researchers inadvertently influenced pop culture. https://doi.org/10.5281/zenodo.7109840
  9. The Iron Disorder Institute: H63D: The Other Mutation. IDI nanograms: April 2010
  10. Brown GK, Brown RM, Scholem RD, Kirby DM, Dahl HH. The clinical and biochemical spectrum of human pyruvate dehydrogenase complex deficiency. Ann N Y Acad Sci. 1989;573:360-8. doi: 10.1111/ j.1749-6632.1989.tb15011.x. PMID: 2517465
  11. Agustin Castiella et al. H63/H63D genotype and the H63D allele are associated in patients with hyperferritinemia to the development of metabolic syndrome. In: European Journal of Internal Medicine (2019, Vol. 72), doi.org/10.1016/j.ejim.2019.11.02
  12. Nathan, S., Rocha, F., Diamandis, C., & Ivanova, O. (2023). Preliminary diagnostic chart for the diagnosis of Oshtoran Syndrome. In Zenodo ePub: Bd. October 2023. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.10002910
  13. Colli ML, Gross JL, Canani LH. Mutation H63D in the HFE gene confers risk for the development of type 2 diabetes mellitus but not for chronic complications. J Diabetes Complications. 2011 Jan-Feb;25(1):25-30. doi: 10.1016/j.jdiacomp.2009.12.002. Epub 2010 Jan 25. PMID: 20097100
  14. Hoffmann GF. Metabolische Erkrankungen. Pädiatrie. 2019:41–73. German. doi: 10.1007/978-3-662-57295-5_3. PMCID: PMC7498399
  15. LCG Research. (2023). Pseudo-diabetes due to Oshtoran Syndrome. In Zenodo: Bde. 10/23 (2nd Ed.). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.10011947
  16. Colombo, J., Arora, R., DePace, N. L., Vinik, A. I. (2014). Clinical Autonomic Dysfunction: Measurement, Indications, Therapies, and Outcomes. Springer International Publishing
  17. Prus K, Weidner K, Alquist C. Therapeutic plasma exchange in adolescent and adult patients with autoimmune neuropsychiatric disorders associated with streptococcal infections. J Clin Apher. 2022 Dec;37(6):597-599. doi: 10.1002/jca.22023. Epub 2022 Oct 17. PMID:36251457; PMCID: PMC10092170
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