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Hypotransferrinämie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Hypotransferrinämie''' ist ein angeborener oder erworbener Mangel am Eisentransporter ''Transferrin''. Bei der angeborenen Hypotransferrinämie handelt es sich um eine sehr seltene genetisch bedingte Erkrankung, die anders als die Atransferrinämie (Fehlen von Transferrin), langsam verläuft und sich durch eine über Jahrzehnte aufbauende Schädigung bestimmter Organe durch ungebundenes Eisen (NTBI iron) symptomatisch darstellen kann.
{{Infobox ICD
| BREITE =
| 01-CODE = E83.1
| 01-BEZEICHNUNG = Störungen des Eisenstoffwechsels<br />Hämochromatose
}}
Die '''Hypotransferrinämie''' (auch '''hereditäre Atransferrinämie'''<ref>''Monogen bedingte Erbkrankheiten 1'' herausgegeben von Detlev Ganten und Klaus Ruckpaul, Springer-Verlag, 2013, Seite 459</ref>) ist ein angeborener oder erworbener Mangel am Eisentransporter ''Transferrin''. Bei der angeborenen Hypotransferrinämie handelt es sich um eine sehr seltene genetisch bedingte Erkrankung, die anders als die Atransferrinämie (Fehlen von Transferrin), langsam verläuft und sich durch eine über Jahrzehnte aufbauende Schädigung bestimmter Organe durch ungebundenes Eisen (NTBI iron) symptomatisch darstellen kann.


== Pathomechanismus ==
== Pathomechanismus ==
Die Eisenaufnahme in der Nahrung und der systemische Eisenverkehr werden durch Hepcidin, ein aus der Leber stammendes Peptidhormon, streng kontrolliert. Hepcidin hemmt den Eiseneintrag in das Plasma, indem es den Eisenexporteur Ferroportin in Zielzellen wie Duodenale Enterozyten und Gewebe-Makrophagen bindet und inaktiviert. Hepcidin wird als Reaktion auf erhöhte Eisenspeicher des Körpers induziert, um die weitere Eisenaufnahme zu hemmen und eine Eisenüberlastung zu verhindern. Der Mechanismus beinhaltet den BMP/SMAD-Signalweg, der die transkriptionelle Hepcidininduktion auslöst. Inaktivierende Mutationen in Komponenten dieses Weges verursachen Hepcidinmangel, der eine unangemessen erhöhte Eisenaufnahme und -ausfluss in den Blutkreislauf ermöglicht.  
Die Eisenaufnahme in der Nahrung und der systemische Eisenverkehr werden durch Hepcidin, ein aus der Leber stammendes Peptidhormon, streng kontrolliert. Hepcidin hemmt den Eiseneintrag in das Plasma, indem es den Eisenexporteur Ferroportin in Zielzellen wie duodenale Enterozyten und Gewebe-Makrophagen bindet und inaktiviert. Hepcidin wird als Reaktion auf erhöhte Eisenspeicher des Körpers induziert, um die weitere Eisenaufnahme zu hemmen und eine Eisenüberlastung zu verhindern. Der Mechanismus beinhaltet den BMP/SMAD-Signalweg, der die transkriptionelle Hepcidininduktion auslöst. Inaktivierende Mutationen in Komponenten dieses Weges verursachen Hepcidinmangel, der eine unangemessen erhöhte Eisenaufnahme und -ausfluss in den Blutkreislauf ermöglicht.


Dies führt unter anderem zu einer Störung des Eisenstoffwechsels, die durch einen allmählichen Aufbau von ungeschütztem, nicht-transferringebundenem Eisen (NTBI iron) im Plasma und eine übermäßige Eisenablagerung in parenchymalen Gewebezellen gekennzeichnet ist. Die vorherrschende Form ist mit Mutationen im HFE-Gen verbunden. Hämochromatose, Aceruloplasminämie und Atransferrinämie sind weitere erbliche Störungen der Eisenüberlastung, die durch einen Mangel an Ceruloplasmin oder Transferrin, der Plasmaferroxidase bzw. dem Eisenträger verursacht werden können.<ref>Pantopoulos K (2018) Inherited Disorders of Iron Overload. Front. Nutr. 5:103. doi: 10.3389/fnut.2018.00103</ref>
Dies führt unter anderem zu einer Störung des Eisenstoffwechsels, die durch einen allmählichen Aufbau von ungeschütztem, nicht-transferringebundenem Eisen (NTBI iron) im Plasma und eine übermäßige Eisenablagerung in parenchymalen Gewebezellen gekennzeichnet ist. Die vorherrschende Form ist mit Mutationen im HFE-Gen verbunden. Hämochromatose, Aceruloplasminämie und Atransferrinämie sind weitere erbliche Störungen der Eisenüberlastung, die durch einen Mangel an Ceruloplasmin oder Transferrin, der Plasmaferroxidase bzw. dem Eisenträger verursacht werden können.<ref>Pantopoulos K (2018) Inherited Disorders of Iron Overload. Front. Nutr. 5:103. doi: 10.3389/fnut.2018.00103</ref>
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===Verhinderung von Organschäden===
===Verhinderung von Organschäden===
Durch ein frühzeitiges Erkennen von Organschäden durch eine Kontrolle des Transferrinwertes und der Sättigung (TF-Sat) kann durch diätische Maßnahmen gefördert werden, dass die Eisenbindungskapazität des Körpers nicht überlastet wird, wodurch NTBI iron im Blut und schließlich in den Geweben verhindert werden kann. Transferrinsättigungswerte >50% haben als suspekt zu gelten, ab rund 60% kann von einer abklärungsbedürftigen Anomalie ausgegangen werden. Da in der Alltagspraxis meist nur das Ferritin erhoben wird und ungebundenes Eisen sich in der Anfärbung von histologischen Präparaten (z.B. mit “Berliner Blau”) nicht darstellt, wird die Störung in aller Regel übersehen. Einzig bei bereits anderweitig erkrankten Patienten, wird diesem Thema im Klinikalltag Beachtung geschenkt<ref>tBoshuizen, van der Ploeg, von Bonsdorff, et al.: Therapeutic use of transferrin to modulate anemia and conditions of iron toxicity. Blood Rev. 2017 Nov;31(6):400-405. doi: 10.1016/j.blre.2017.07.005. Epub 2017 Jul 24.</ref>
Durch ein frühzeitiges Erkennen von Organschäden durch eine Kontrolle des Transferrinwertes und der Sättigung (TF-Sat) kann durch diätische Maßnahmen gefördert werden, dass die Eisenbindungskapazität des Körpers nicht überlastet wird, wodurch NTBI iron im Blut und schließlich in den Geweben verhindert werden kann. Transferrinsättigungswerte >50% haben als suspekt zu gelten, ab rund 60% kann von einer abklärungsbedürftigen Anomalie ausgegangen werden. Da in der Alltagspraxis meist nur das Ferritin erhoben wird und ungebundenes Eisen sich in der Anfärbung von histologischen Präparaten (z.B. mit “Berliner Blau”) nicht darstellt, wird die Störung in aller Regel übersehen. Einzig bei bereits anderweitig erkrankten Patienten, wird diesem Thema im Klinikalltag Beachtung geschenkt<ref>tBoshuizen, van der Ploeg, von Bonsdorff, et al.: Therapeutic use of transferrin to modulate anemia and conditions of iron toxicity. Blood Rev. 2017 Nov;31(6):400-405. doi: 10.1016/j.blre.2017.07.005. Epub 2017 Jul 24.</ref>
===Nach dem Eintritt von Organschäden===
===Nach dem Eintritt von Organschäden===
Sind durch eine unerkannt - und damit unbehandelt - gebliebene hereditäre oder auf Dauer erworbene Hypotransferrinämie bereits oxidationsbedingte (ROS) Organschäden eingetreten, so sind diese bleibender Natur, vor alle, an Herz und Gehirn. Grund ist ein Niedergang der entsprechenden Gewebe. Hier kann eine Behandlung im eigentlichen Sinne nur symptomatisch erfolgen, wobei jedoch durch strikte diätische Vorgaben darauf zu achten ist, dass keine weitere Akkumulation von ungebundenem Eisen in den betroffenen Zellen mehr stattfindet. Da der Körper auch im Falle einer Hypotransferrinämie Eisen zur Blutbildung benötigt, ist hier eine stetig kontrollierte Zufuhr bis nahe der Grenze der Transportfähigkeit durch endogen produziertes Eisen oft angezeigt. Grundsätzlich sind bereits manifeste Organschäden bleibend, kaum behandelbar und daher möglichst zu verhindern.<ref>Barry, Michael: Liver iron concentration, stainable iron, and total body iron storage. In: Gut. 1974, 15, 411-415.</ref><ref>Cabantchik, Zvi I.: Labile iron in cells and body fluids: physiology, pathology, and pharmacology. Front. Pharmacol., 13 March 2014 | https://doi.org/10.3389/fphar.2014.00045</ref> Eine Entfernung des freien Eisens aus dem Körper ist, anders als im Falle der Hämochromatose weder möglich noch nützlich oder gar harmlos, besonders im Falle von Herz- und Hirnschäden durch ungebundenes NTBI iron.<ref>A. Klucken, H. Jaskolka: Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn Neurodegeneration with Brain Iron Accumulation (NBIA). Patientenorientierte Krankheitsbeschreibung aus dem ACHSE Netzwerk, 05/2017</ref>
Sind durch eine unerkannt - und damit unbehandelt - gebliebene hereditäre oder auf Dauer erworbene Hypotransferrinämie bereits oxidationsbedingte (ROS) Organschäden eingetreten, so sind diese bleibender Natur, vor alle, an Herz und Gehirn. Grund ist ein Niedergang der entsprechenden Gewebe. Hier kann eine Behandlung im eigentlichen Sinne nur symptomatisch erfolgen, wobei jedoch durch strikte diätische Vorgaben darauf zu achten ist, dass keine weitere Akkumulation von ungebundenem Eisen in den betroffenen Zellen mehr stattfindet. Da der Körper auch im Falle einer Hypotransferrinämie Eisen zur Blutbildung benötigt, ist hier eine stetig kontrollierte Zufuhr bis nahe der Grenze der Transportfähigkeit durch endogen produziertes Eisen oft angezeigt. Grundsätzlich sind bereits manifeste Organschäden bleibend, kaum behandelbar und daher möglichst zu verhindern.<ref>Barry, Michael: Liver iron concentration, stainable iron, and total body iron storage. In: Gut. 1974, 15, 411-415.</ref><ref>Cabantchik, Zvi I.: Labile iron in cells and body fluids: physiology, pathology, and pharmacology. Front. Pharmacol., 13 March 2014 | https://doi.org/10.3389/fphar.2014.00045</ref> Eine Entfernung des freien Eisens aus dem Körper ist, anders als im Falle der Hämochromatose weder möglich noch nützlich oder gar harmlos, besonders im Falle von Herz- und Hirnschäden durch ungebundenes NTBI iron.<ref>A. Klucken, H. Jaskolka: Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn Neurodegeneration with Brain Iron Accumulation (NBIA). Patientenorientierte Krankheitsbeschreibung aus dem ACHSE Netzwerk, 05/2017</ref>


==Multimedia==
==Weblinks==
;Multimedia
*[https://youtu.be/RN-timWywUk Eine Einführung in NTBI iron, Teil 1 (englisch)]
*[https://youtu.be/RN-timWywUk Eine Einführung in NTBI iron, Teil 1 (englisch)]
*[https://youtu.be/RN-timWywUk Eine Einführung in NTBI iron, Teil 2 (englisch)]
*[https://youtu.be/RN-timWywUk Eine Einführung in NTBI iron, Teil 2 (englisch)]
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==Quellen==
==Quellen==
<references />
<references />
[[Kategorie:Stoffwechselkrankheit]]
[[Kategorie:Erbkrankheit]]
[[Kategorie:Krankheitsbild in der Kinderheilkunde]]
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