Esso-Häuser

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Esso-Häuser am Spielbudenplatz in Hamburg-St. Pauli, Deutschland

Die Esso-Häuser sind ein Gebäudekomplex in Hamburg-St. Pauli. Zu ihm gehören der Musikclub Molotow und die Esso-Tankstelle Reeperbahn, die oft als bekannteste Tankstelle Deutschlands genannt wird. Um die Häuser, die nach der Tankstelle bzw. den ebenfalls dort befindlichen Esso-Garagen benannt sind, gibt es jahrelange Diskussionen. Der Eigentümer, die Bayerische Hausbau, die zur Schörghuber Unternehmensgruppe gehört, möchte diese 2014 inklusive der Tankstelle und des Musikclubs abreißen lassen und durch Neubauten ersetzen.[1] Bürgerinitiativen wollen dies verhindern. Am Abend des 14. Dezember 2013 wurden die Häuser evakuiert, nachdem Bewohner von "wackelnden Wänden" und von der Decke fallendem Putz im hinteren der beiden Wohnhäuser berichtet hatten.[2]

Lage und Bau

Die Gebäude liegen unmittelbar am Spielbudenplatz an der Ecke Taubenstraße. Zwei Wohnhausriegel liegen über einer Tiefgarage, die ehemals ein Luftschutzbunker für bis zu 10.000 Personen war. Zum Spielbudenplatz hin sind Bars, Geschäfte sowie das Molotow gelegen. An der Taubenstraße liegt die Tankstelle, die, als "Kieztanke" bekannt, über einen großen Shopbereich verfügt und Anlaufstelle für viele, auch prominente Kiezbesucher ist.[1]

Geschichte

Vorgeschichte und Entstehung

Auf dem Gelände stand zuvor das Theater Eden, das während der Operation Gomorrha im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.[3] Die Tankstelle entstand 1949, sie befand sich zunächst in der Mitte des Spielbudenplatzes. Die Wohngebäude und der übrige Gebäudekomplex an der Taubenstraße wurden ab 1958 ergänzt. Der Betreiber der Esso-Garagen, Ernst Schütze, engagierte hierzu die Architekten Professor Hanns Stich und Herbert Großner. Damals galten die Gebäude als "schlicht, funktional und imposant". Am 4. Mai 1961 fand das Richtfest statt. Die Baukosten betrugen etwa sechs Millionen Mark. Die Tankstelle selbst befand sich bis in die 1970-er Jahre noch auf dem Spielbudenplatz und wurde erst später an die Taubenstraße verlegt.[3]

Esso-Tankstelle an der Taubenstraße 2008

Die Tankstelle entwickelte sich über die Jahre zum Kultobjekt. Eine grundlegende Sanierung des Gesamtkomplexes durch die Eigentümer, die Familie Schütze blieb jedoch aus.[3] Bereits seit längerem gab es daher Diskussionen um die Gebäude und die Zukunft des Molotow, ein bekannter Club, für den sich bereits 2008 Gäste, Bands und Künstler u. a. mit Benefizkonzerten einsetzten.[4] 2009 verkaufte die Familie Schütze den Komplex an die Bayerische Hausbau.[3] Diese will dort Wohnbauten mit Miet-, Eigentums- und Sozialwohnungen mit höherer Geschossfläche als bisher sowie zum Spielbudenplatz Gewerbebauten für "auch für St. Pauli affines Gewerbe" errichten und nach eigenen Angaben den Charakter eines "Dorfplatzes" für St. Pauli erhalten, die Tankstelle soll jedoch bei der Neubebauung entfallen.[5] Sowohl die Bayerische Hausbau als auch anschließend die Initiative Esso-Häuser gaben daraufhin Gutachten in Auftrag, die zu unterschiedlichen Bewertungen in Bezug auf die Sanierungsmöglichkeiten der Häuser kamen. Das Gutachten im Auftrag der Hausbaugesellschaft verneinte diese, das im Auftrag der Initiative kam zu dem Schluss, es gebe einen "hohen Sanierungsbedarf", der aber zu bewältigen sei. Der Streit zwischen beiden Parteien verschärfte sich. Die Mieterinitative befürchtete eine Vertreibung der Altmieter sowie weitere Gentrifizierung im Viertel und drängte auf ein Rückkehrrecht.[6]

Ereignisse 2013

Im Februar 2013 wurden die Balkone der Mieter der Wohnhäuser wegen Einsturzgefahr gesperrt.[7] Im Juni 2013 beschrieb ein weiteres Gutachten im Auftrag des Bezirksamts Hamburg-Mitte die Substanz der Gebäude zu nahezu 100 Prozent als "kritisch oder grenzwertig".[2] Die Tiefgarage wurde gesperrt und mit Stahlstützen abgestützt. Im September 2013 kündigte die Bayerische Hausbau allen Gewerbemietern zum 30. Juni 2014 und widerrief ein Rückkehrrecht, das sie in früheren Gesprächen gegeben hatte. Die Initiative Esso-Häuser warf der Baugesellschaft vor, sie habe die Häuser "vorsätzlich verfallen lassen und gezielt heruntergewirtschaftet."[8]

Am 14. Dezember kam es zur Räumung der Häuser wegen befürchteter Einsturzgefahr. Bewohner mussten die Gebäude verlassen, wobei es zu tumultartigen Szenen kam, als einige derselben sich weigerten. Laufende Veranstaltungen wurden unterbrochen. Am Abend hatte die Musikgruppe Madsen ein Konzert im Molotow gegeben. Die Gebäude wurden von Statikern überprüft. Da alle Gebäude zusammenhängen, fiel die Prognose laut des Bezirksamtsleiters Andy Grote (SPD) auch für Bars, Club und Tankstelle negativ aus. Mehrere Initiativen kündigten Proteste an. Mehrere hundert Menschen demonstrierten am Abend des 15. Dezember für den Erhalt der Häuser.[8]

Am 16. Dezember 2013 wurde bekannt, dass die Bewohner aufgrund der gegebenen Einsturzgefahr nicht wieder in ihre Häuser zurückkehren können und der Komplex Anfang 2014 abgerissen werden soll.[9] Für viele, die zunächst in Hotels und bei Verwandten und Freunden unterkamen, wurden Ersatzwohnungen gesucht. Zum Ende der folgenden Woche musste das Molotow an diesem Standort endgültig schließen. Bestandteile der Einrichtung wurden zuvor herausgebracht.[10] Es wird gemeinsam mit der Hamburger Kulturbehörde nach einem neuen Standort gesucht. Das unmittelbar angrenzende Wachsfigurenkabinett Panoptikum, das vorübergehend geschlossen worden war, hat hingegen wieder geöffnet.

Am 21. Dezember 2013 kam es im Rahmen nach einer gemeinsamen Protestkundgebung zu den Themen Rote Flora, Esso-Häuser und Hamburger Lampedusa-Flüchtlinge, die im Schanzenviertel begann und von der Polizei aufgelöst wurde, auch zu Protesten und Krawallen rund um die Esso-Häuser. Einzelne Personen drangen bis auf das Gelände vor, dessen Umzäunung dazu teilweise niedergerissen wurde. Andere Demonstranten wurden im Bereich der Taubenstraße/Kastanienallee eingekesselt und festgenommen.[11]

Seit Anfang 2014 werden die Häuser nun ausgeräumt. Ein Umzugsunternehmen transportiert die Einrichtungsgegenstände der Mieter hinaus, jedoch dürfen immer nur wenige Wohnungen auf einmal betreten werden, um Erschütterungen zu vermeiden. Viele der Mieter hoffen weiter auf ein Rückkehrrecht in den geplanten Neubau. Auch haben viele von ihnen noch keine neuen Wohnungen und sind weiter provisorisch untergebracht.[12]

Weblinks

Einzelnachweise