Enzyklopädie

Aus InkluPedia
Die Naturalis historia in einer reich illustrierten Ausgabe des 13. Jahrhunderts
Titelseite der Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers
u. a. 102 Bände der spanischen Espasa

Eine Enzyklopädie ist ein umfangreiches Nachschlagewerk. Der Begriff Enzyklopädie (von altgriechisch ἐγκύκλιος παιδεία enkýklios paideía) soll auf die Ausführlichkeit und/oder dem großen Themenspektrum hinweisen. Die Bedeutung des Begriffes ist fließend, sie standen zwischen Lehrbüchern einerseits und Wörterbüchern andererseits. Vor allem die große französische Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (1751–1780) hat die Bezeichnung „Enzyklopädie“ für ein Sachwörterbuch durchgesetzt. Aufgrund der alphabetischen Anordnung gedruckter Enzyklopädien werden sie oft als Lexika bezeichnet.

Geschichte

Beginn bis 17. Jahrhundert

Als älteste vollständig erhaltene Enzyklopädie gilt die Naturalis historia des römischen Historikers und Schriftstellers Gaius Plinius Secundus (Plinius der Ältere) aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert. Sie erschien in lateinischer Sprache. Im 7. Jahrhundert erschien die Etymologiae von Isidor von Sevilla. Sie orientierte sich an den sieben freien Künsten, ein in der Antike entstandener Kanon von sieben Studienfächern und ergänzte diese. 847 erschien die Enzyklopädie De universo/De rerum naturis des Mönches und Abtes Hrabanus Maurus. Als erste arabische Enzyklopädie gilt die Kitab uyun al-achbar des sunnitischen Gelehrten Ibn Qutaiba aus dem 9. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert erschien die Speculum maius des französischen dominikanischen Mönches Vinzenz von Beauvais.

Während der chinesischen Ming-Dynastie entstand in der Yongle-Ära (1402–1424) die Yongle Dadian Enzyklopädie. Sie wurde von über 3.000 Gelehrten erstellt und im Jahre 1408 abgeschlossen. Das Werk besteht aus 22.877 Kapiteln in 11.095 Faszikeln und ist die größte Enzyklopädie im vormodernen China.[1] 1503 erschien die von Gregor Reisch in lateinischer Sprache verfasste Margarita philosophica. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erschien die Encyclopaedia Cursus Philosophici des deutschen Universalgelehrten Johann Heinrich Alsted (1588–1638). 1674 wurde das einbändige Werk Le grand dictionaire historique des französischen Enzyklopädisten Louis Moréri (1643–1680) veröffentlicht.

18. Jahrhundert

1704 veröffentlichte der britische Mathematiker (1666–1719) in London Lexicon technicum: or, an universal english dictionary of arts and sciences. Im 18. Jahrhundert entstand das erste Konversationslexikon. 1708 erschien bei dem Verleger Johann Friedrich Gleditsch (1653–1716) in Leipzig mit dem Reales Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicon das erste Lexikon, das sich als Konversationslexikon bezeichnete. 1728 veröffentlichte der englische Schriftsteller Ephraim Chambers die Cyclopædia, or, An universal dictionary of arts and sciences. Ab 1747 publizierte der Zürcher Universalgelehrte Johann Jacob Leu (1689–1768) das Allgemeine Helvetisches, Eydgenössisches, Oder Schweitzerisches Lexicon, von dem bis 1765 im Jahresrhythmus einen neuen Quartband erschien. Von 1751 bis 1780 entstand die französische Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers. Das Werk war von Denis Diderot (1713–1784) angeregt und unter Beteiligung maßgeblicher Persönlichkeiten der französischen Aufklärung realisiert worden, unter ihnen Montesquieu (1689–1755), Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) und Voltaire (1694–1778). Damit war der erste Schritt gemacht, um die Erkenntnisse der Forschung breiteren Kreisen zugänglich zu machen.[2] Herausgegeben wurde die Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers von Denis Diderot und D’Alembert (1717–1783). 1768 wurde die englischsprachige Enzyklopädie Encyclopædia Britannica begründet.

Zwischen 1770 und 1780 entstand die Encyclopédie d’Yverdon in französischer Sprache. Sie wurde in Yverdon in der Schweiz vom Italiener Fortunato Bartolomeo De Felice (1723–1789) herausgegeben und von mehr als dreissig Mitarbeitern erstellt. Das Werk mit einer Auflage von 2500 bis 3000 Exemplaren besteht aus etwa 75.000 Artikeln und 1200 Tafeln auf insgesamt 37.378 Seiten.[3] Als Nachfolgewerk gilt auch die Encyclopédie méthodique, die zwischen 1782 und 1832 in 206 Bänden mit 125.350 Textseiten und 6.300 Tafeln entstand. Sie wurde von dem Verleger Charles-Joseph Panckoucke (1736–1798) und Thérèse-Charlotte Agasse (1775–1838) herausgegeben.[4]

19. Jahrhundert

Friedrich Arnold Brockhaus (1772–1823) kaufte 1808 auf der Leipziger Buchhändlermesse das 1796 begründete Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten, vermarktete es und ließ 1809 einen Neudruck der ersten Bände anfertigen. Die zwischen 1809 und 1811 erschienene Ausgabe legte den Grundstock für das spätere Lexikon Der Große Brockhaus/Brockhaus Enzyklopädie. Zwischen 1824 und 1836 erschien von Heinrich August Pierer (1794–1850) das Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit in 26 Bänden. Joseph Meyers (1796–1856), dem Begründer des Bibliographischen Instituts, erstes Lexikonprojekt war das 1840 bis 1855 erschienene Große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände. In Verbindung mit Staatsmännern, Gelehrten, Künstlern und Technikern. Anstatt die 21 Bände innerhalb der geplanten vier Jahre fertig zu erstellen, waren nach sechs Jahren gerade 14 Bände bis zum Stichwort „Erlachhof“ erschienen. Erst 1856 war das Lexikon vollständig, aus den geplanten 21 Bänden waren 52 Bände mit mehr als 65.000 Seiten zweispaltiger Text und 1200 Seiten Register geworden. Mit diesem Umfang und dem Stichwortreichtum setzte Meyer neue Maßstäbe in der Lexikografie.[5] Ab 1854 wurde die Enzyklopädie Herders Conversations-Lexikon von Karl Raphael Herder (1816–1865) und Benjamin Herder (1818–1888) herausgegeben. Herder, Brockhaus, Meyers und Pierers sind die vier bedeutendsten deutschen Lexika-Verlage des 19. Jahrhundert.[6]

20. Jahrhundert

Der aus Katalonien stammende Autodidakt José Espasa Anguera (1839–1911) gründete zusammen mit seinem Bruder Pablo Espasa 1860 in Barcelona einen Verlag, der sich im 20. Jahrhundert zu einem der wichtigsten Verlage der spanischsprachigen Welt entwickelte. Der Erfolg des Verlags basierte auf dem Konzept seiner Enzyklopädie. Er nahm von der bis dahin vorherrschenden Orientierung an französischen Vorbildern Abstand orientierte sich stattdessen an den erfolgreichen deutschen Konversationlexika. Von den deutschen Verlagshäusern Brockhaus und Meyer erwarb er Rechte, um den Textfundus derer Konversationslexika für sein geplantes Editionsprojekt verarbeiten zu können. Espasa entschied sich auch gegen das unhandliche Quartformat der französischen Enzyklopädien und übernahm das kleinere Blattformat und das zweispaltige Seitenlayout und die einzelnen Artikel wurden von den Autoren nicht unterzeichnet. 1907 erschienen die ersten Faszikel.[7] Ab 1908 erschien in Spanien die Enciclopedia universal ilustrada europeo-americana (kurz Espasa).[8] In den 1930er Jahren erschienen Ergänzungsbände und danach bis ins 21. Jahrhundert weitere Bände. Mit Index, Anhang und Atlas kam die Espasa auf 118 Bücher und galt längere Zeit als die umfangreichste Enzyklopädie der Welt.[9]

Seit den 1980er-Jahren werden Enzyklopädien neben der gedruckten Form in digitaler Form angeboten, zunächst auf Datenträgern und später zunächst auch und dann nur noch im Internet. Teilweise sind es Fortführungen älterer Werke, teilweise neue Projekte. Ein besonderer Erfolg war die 1993 erstmals auf CD-ROM herausgegebene Microsoft Encarta. Das US-amerikanische Unternehmen Microsoft wollte dafür Lizenzrechte an der Encyclopædia Britannica erwerben, schaffte es aber nicht. Auch bei den World Books gelang es Microsoft nicht. Schliesslich konnten sie die Inhalte von Funk & Wagnalls lizenzieren.[10] 1994 erschien die Encyclopædia Britannica erstmals auf CD-ROM. Die erste Version hatte zwar mit 65.000 Stichworten wesentlich mehr Inhalt als damals Compton's und Grolier (je 33.000) oder Microsoft (25.000), die früher damit auf den Markt waren, bestand zunächst aber nur aus Text ohne Tabellen und Schaubilder.[11] 1995 bekam die Encyclopædia Britannica auf CD-ROM Illustrationen und Fotos hinzu, Multimedia (Videos, Animationen, Audio) kamen 1997 hinzu.[12] 2000 entstand Microsoft Encarta zusätzlich als kostenlose Website, mit nur der Hälfte des Inhaltes. Für den Zugriff auf den vollständigen Inhalt musste die Encarta auf CD-ROM oder DVD gekauft werden.[10]

21. Jahrhundert

Am 15. Januar 2001 wurde die Wikipedia gegründet, die sich zur größten Internet-Enzyklopädie entwickelte. 2009 wurde die Website von Microsoft Encarta als übriggebliebener Rest eingestellt.[10]

Literatur

  • 1977: Enzyklopädie: Zur Geschichte eines philosophischen und wissenschaftstheoretischen Begriffs, Ulrich Dierse, 274 Seiten, Bonn: Bouvier, ISBN 978-3416013505
  • 1980: Kleine Geschichte großer Lexika, Werner Lenz, 143 Seiten, Fackelverlag, ISBN 978-3570031582
  • 2000: Das Streben nach Wissen: Eine vergleichende Gattungsgeschichte der populären Enzyklopädie in Deutschland und Großbritannien im 19. Jahrhundert, Ulrike Spree, 378 Seiten, De Gruyter, Reprint, ISBN 978-3484630246
  • 2002: Populäre Enzyklopädien: Von der Auswahl, Ordnung und Vermittlung des Wissens, Herausgeber Ingrid Tomkowiak, 306 Seiten, Chronos Verlag, Zürich, ISBN 978-3034005500
  • 2006: Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der Frühen Neuzeit, Herausgeber Ulrich Johannes Schneider, 238 Seiten, Primus in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg), ISBN 978-3896785602
  • 2011: Große Lexika und Wörterbücher Europas: Europäische Enzyklopädien und Wörterbücher in historischen Porträts, Herausgeber Ulrike Haß, 541 Seiten, De Gruyter, ISBN 978-3110193633
  • 2012: Die Erfindung des allgemeinen Wissens: Enzyklopädisches Schreiben im Zeitalter der Aufklärung, Ulrich Johannes Schneider, 259 Seiten, De Gruyter Akademie Forschung, ISBN 978-3050057804
  • 2013: Ältere Konversationslexika und Fachenzyklopädien: Beiträge zur Geschichte von Wissensüberlieferung und Mentalitätsbildung (Beiträge zur Text-, Überlieferungs- und Bildungsgeschichte, Band 1), Hans-Albrecht Koch und Gabriella Rovagnati, 254 Seiten, Peter Lang GmbH, Internationaler Verlag der Wissenschaften, ISBN 978-3631623411

Weblinks

Quellen