Tió de Nadal: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Tió de Nadal''' [{{IPA|tiˈo ðə nəˈðal}}]<ref name=":1">Siehe den entsprechenden [https://ca.wikipedia.org/wiki/Ti%C3%B3_de_Nadal Artikel] in der katalanischsprachigen Wikipedia.</ref> (auch einfach „tió“, Plural „tions“ oder „tronc(a) de Nadal“, aragonesisch „tronca“, „toza“ oder „tízón de Nadal / Navidat“ und okzitanisch „cachafuòc“ oder „soc de Nadal“) ist eines der Elemente der [[Katalonien|katalanischen]] und aragonesischen Mythologie und eine tief im [[Spanien|spanischen]] Katalonien und Aragon sowie in [[Andorra]] und Okzitanien ([[Frankreich]]) verwurzelte Weihnachtstradition. Auf Mallorca ist diese früher als „Nadaler“ bekannte Tradition nahezu verloren gegangen.
Der '''Tió de Nadal''' [{{IPA|tiˈo ðə nəˈðal}}]<ref name=":1">Siehe den entsprechenden [https://ca.wikipedia.org/wiki/Ti%C3%B3_de_Nadal Artikel] in der katalanischsprachigen Wikipedia.</ref> (auch einfach „tió“, Plural „tions“ oder „tronc(a) de Nadal“, aragonesisch „tronca“, „toza“ oder „tízón de Nadal / Navidat“ und okzitanisch „cachafuòc“ oder „soc de Nadal“) ist eines der Elemente der [[Katalonien|katalanischen]] und aragonesischen Mythologie und eine tief im [[Spanien|spanischen]] Katalonien und Aragon sowie in [[Andorra]] und Okzitanien ([[Frankreich]]) verwurzelte Weihnachtstradition. Auf Mallorca ist diese früher als „Nadaler“ bekannte Tradition nahezu verloren gegangen.


== Die aktuelle Tradition ==
Trotz der vielen lokalen Variationen besteht die Tradition darin, einige Tage vor Weihnachten einen Baumstumpf oder dicken Ast zu besorgen und diesen mit einem Gesicht und einer roten katalanischen Bauernmütze („la barretina“) als ''Tió de Nadal'' herzurichten. Normalerweise wird am 8. Dezember, dem Tag der Unbefleckten Empfängnis Marias, dieser Baumstumpf mit einer Decke bedeckt und in eine Ecke des Hauses gelegt, damit ''El Tió'' sich nicht verkühlt. Er wird täglich mit Obst, Äpfeln, Mandarinen und Äpfeln gefüttert, damit er zur Weihnachtsbescherung Süßigkeiten und vor allem Geschenke auswerfen (im etwas derben zum Brauch gehörigen Kinderlied „scheißen“ oder familiär „etwas herausrücken“) kann. In manchen Häusern besteht ''El Tió'' einfach aus einem Stück Holz, einem oder mehreren Stühlen, einem Stück Kork, einer Holzschachtel oder einem geflochtenen Korb jeglicher Größe, je nach der für die herauszugebenden Geschenke angemessenen Größe.
Trotz der vielen lokalen Variationen besteht die Tradition darin, einige Tage vor Weihnachten einen Baumstumpf oder dicken Ast zu besorgen und diesen mit einem Gesicht und einer roten katalanischen Bauernmütze („la barretina“) als ''Tió de Nadal'' herzurichten. Normalerweise wird am 8. Dezember, dem Tag der Unbefleckten Empfängnis Marias, dieser Baumstumpf mit einer Decke bedeckt und in eine Ecke des Hauses gelegt, damit ''El Tió'' sich nicht verkühlt. Er wird täglich mit Obst, Äpfeln, Mandarinen und Äpfeln gefüttert, damit er zur Weihnachtsbescherung Süßigkeiten und vor allem Geschenke auswerfen (im etwas derben zum Brauch gehörigen Kinderlied „scheißen“ oder familiär „etwas herausrücken“) kann. In manchen Häusern besteht ''El Tió'' einfach aus einem Stück Holz, einem oder mehreren Stühlen, einem Stück Kork, einer Holzschachtel oder einem geflochtenen Korb jeglicher Größe, je nach der für die herauszugebenden Geschenke angemessenen Größe.


''El Tió'' repräsentiert eine Jahrhunderte alte Tradition, die ursprünglich mit der Natur, der Fruchtbarkeit und der Wintersonnenwende verbunden war. ''El Tió'' ist ein Ritual ländlichen Ursprungs und kennzeichnet Überfluss und Wohlergehen. Der alte, trockene Stamm spendet Süßigkeiten und Bonbons und eben auch die Weihnachtsgeschenke aus seinem Inneren heraus. Es gilt als Vorbote und Zeichen der Wiedererwachens der Natur nach der langen Wintersaison. Mit zunehmender Modernität und dem Verschwinden des Feuers auf dem Boden der Häuser verschwanden ursprüngliche Bräuche wie Kot zu verbrennen oder die zugehörigen Bräuche rund um die zurückgelassene Asche. Diese dienten ursprünglich als Schutzhelfer gegen Blitze, Motten und andere Gefahren in Häusern und auf Feldern. Dafür lebte die Tradition des ''Tió de Nadal'' weiter.
Für diese Tradition gibt es auch den Namen '''Cagatió''' [{{IPA|ˌkaɣətiˈo}}],<ref name=":9">Siehe entsprechende Einträge im [https://ca.wiktionary.org/wiki/cagati%C3%B3 katalanisch-] und [https://de.wiktionary.org/wiki/cagati%C3%B3 deutschsprachigen Wiktionary].</ref> der sich direkt auf das Fest der Bescherung bezieht, bei dem ''El Tió'', Geschenke herausrücken oder eben derber „scheißen“ soll (katalanisch: „cagar“, deutsch: „scheißen“, familiär auch etwas „herausspucken“, etwas „rausrücken“ wiedergegeben werden). Hier wird das für deutschsprachige Leser etwas derb wirkende oben bereits erwähnte Kinder- und Bescherungslied ausschnittsweise in katalanischer Sprache aufgegriffen. Es existieren zahlreiche Strophen und Varianten.
 
== Die Geschichte des Tió de Nadal ==
Nicht aus dem okzitanisch-katalanisch-aragonesisch stammende Verbreitungsgebiet stammende Bürger anderer Nationalitäten tuen sich schwer mit dem Verständnis des Weihnachtsbrauchtums um El Tió de Nadal. Auch kritische Katalanen sehen die Brüche und Unebenheiten in diesem Brauchtum. Was sollen beispielsweise kleine Kinder empfinden, die in der Vorweihnachtszeit liebevoll El Tio warm halten und ihn abends mit Futter versorgen, um ihn schließlich am Heiligen Abend mit Stöcken dazu zu bewegen, Geschenke auszuspucken?<ref name=":10">Siehe hierzu: Sophia Blasco i Castell: El Tió de Nadal i la violència. In: jornal.cat (19. Dezember 2010).</ref> Die Personaltrainerin Sophia Blasco i Castell macht darauf aufmerksam, dass zum Verständnis der genannten Unebenheiten und einer eventuell passenderen aktuellen Ausgestaltung der Ursprung und die geschichtliche Entwicklung dieser Tradition betrachtet werden muss.
 
''El Tió'' repräsentiert eine ländliche, alte, vorchristliche Tradition, die ursprünglich eng mit der Natur, der Fruchtbarkeit und den Festen zur Wintersonnenwende verbunden war. Um die Wintersonnenwende herum wurde an der Feuerstelle uralter Bauernhäuser ein besonders großes Stück Holz entzündet. Dieses Holz spendete die benötigte Wärme und das benötigte Licht in der langen Winternacht. Das im ursprünglichen Brauchtum nachgewiesene „Schlagen“, das Schlagen von Wärme aus dem großen brennenden Scheit, diente dem Wiedererwachen der in Kälte erstarrten Natur. Es diente als Vorbote des Heranziehens der wärmeren Jahreszeiten.<ref name=":11">Abschnitt nach: 3CAT: D’on ve la tradició de fer cagar el tió? (23.12.2023).</ref>


Für diese Tradition gibt es auch den Namen '''Cagatió''' [{{IPA|ˌkaɣətiˈo}}],<ref name=":9">Siehe entsprechende Einträge im [https://ca.wiktionary.org/wiki/cagati%C3%B3 katalanisch-] und [https://de.wiktionary.org/wiki/cagati%C3%B3 deutschsprachigen Wiktionary].</ref> der sich direkt auf das Fest der Bescherung bezieht, bei dem ''El Tió'', Geschenke herausrücken oder eben derber „scheißen“ soll (katalanisch: „cagar“, deutsch: „scheißen“, familiär auch etwas „herausspucken“, etwas „rausrücken“ wiedergegeben werden). Hier wird das für deutschsprachige Leser etwas derb wirkende oben bereits erwähnte Kinder- und Bescherungslied ausschnittsweise in katalanischer Sprache aufgegriffen. Es existieren zahlreiche Strophen und Varianten.
Die emeritierte Anthropologin Josefina Roma i Riu der Universität Barcelona sieht das in Frage stehende Brauchtum insgesamt in einen Ahnenkult dieser bäuerlichen Bevölkerung eingebettet. Die Erwachsenen kommunizieren über das Medium des Rauches im Schornstein mit ihren Vorfahren. Gleichzeitig werden am Feuer Leckereien für die Kinder zubereitet. Generell werden in dieser Zeremonie gute Wünsche sowie Schutz (gegen Blitze, Ungeziefer und Krankheiten) und Fruchtbarkeit der Familie beschworen. Die aus dem Feuer zurückgebliebene Asche wurde anschließend auf den Feldern verstreut. Im diesem gesamten ursprünglichen Brauchtum manifestiert sich eine tiefe Verbundenheit der Beteiligten mit ihrer Familie, den Vor- und Nachfahren, und mit der Natur.<ref name=":11">
 
Dieser ursprüngliche Ahnenkult wurde im aufkommenden Christentum in ein Kinderfest umgeformt. Die älteste Person im Haus leitete die Zeremonie und segnete zunächst das große brennende Holzscheit mit Wein. Das brennende Holzscheit war ursprünglich in keiner Weise bemalt oder dekoriert. Vor der Bescherung mit dem Schlagen auf das brennende Holzscheit gingen die Kinder mit einem Erwachsenen in einen anderen Raum, um dort ein Vaterunser vor der Bescherung zu beten. Diese Bescherungstradition blieb eng an das bäuerliche, brennende Holzscheit und das Hausfeuer gebunden.<ref name=":11">
 
Mit der aufkommenden Säkularisierung und Modernisierung der Wohnstätten veränderte sich das Brauchtum deutlich. Zunächst tränkten die Kinder die Stöcke, mit denen sie El Tió, das zuvor liebevoll behandelte Holzscheit, jetzt zur Herausgabe von Süßigkeiten und Geschenken zwangen. Genau an dieser Stelle sieht die oben bereits genannt Personaltrainerin Sophia Blasko Anpassungsbedarf an der Tradition, in der solche Momente von Gewalt zurückgenommen werden müssen. Das aufkommen moderner Wohnstätten entfernte die Tradition zudem von ihrem klassischen Ort, dem bäuerlichen Hausfeuer. In diesem Zuge wurde El Tió mit einem Gesicht und einer katalanischen Bauernmütze versehen oder schlichtweg vermenschlicht und schließlich auch als käufliche Ware teilweise verkitscht.<ref name=":11">
 
Es gibt zunehmend mehr Menschen wie Sophia Blasko, die für eine Weiterentwicklung dieser uralten, wertvollen Traditionen in Richtung auf das Einssein mit der Natur und das Einssein mit seinen Mitmenschen eintreten, also für die Motivationen des vor- und auch des frühchristlichen Brauches.